*(Zitat: Insa Wilke, SWR-Lesenswert in der ZEIT)
Die Ankündigung des WDR, das im 3. Hörfunkprogramm ausgestrahlte Morgenmagazin „Mosaik“ um die Sparte Buchvorstellung und – Kritik zu bereinigen oder wenigstens zu beschneiden, hat vor allem unter Kritiker*innen Wellen geschlagen. Wie im Fall der Rezensentin und Kritikerin Insa Wilke in der ZEIT, hat aber nicht nur bei ihr für Aufregung gesorgt.
Ihr Plädoyer für die (Buch) Rezension als Königsdisziplin der Literaturkritik dient als bestes Beispiel dafür, warum diese Zug um Zug zunehmend aus den Medien verschwindet (Hörfunk, TV, Presse), auf jedenfall nicht mehr die selbe Rolle spielt, wie das vor Jahren noch der Fall war. Beispielsweise im Rahmen des von Marcel Reich-Ranicki zu seinen Lebzeiten im ZDF moderierten „Literarischen Quartett“. Dessen Nachfolger*in Thea Dorn weit davon entfernt ist, auch nur eine ansatzweise vergleichbare Wirkung zu erzielen. Während Reich-Ranickis Buchempfehlungen einen regelrechten Run auf die Buchläden nach sich zogen, womit er manchem Autor (egal ob durch seine Zustimmung oder einen Verriss) zu einem Bestsellererfolg verholfen hat. Womit ich nicht zum Ausdruck bringen will, dass Buchkritik und -Rezension die Aufgabe zu erfüllen hat, Bestsellererfolge zu ermöglichen, wie es Thea Dorns Vorgänger im „Literarischen Quartett“ des ZDF – qua Persönlichkeit – gelungen ist.
Woran ich Anstoß nehme, bezieht sich auf die Rezension als Selbstzweck, die ihre Aufmerksamkeit weit weniger ihrem Gegenstand, also Buch widmet, als der Person des jeweiligen Rezensenten. Beispielsweise im Fall Dennis Schecks (ARD-Druckfrisch), wenn er sich auffällig in den Mittelpunkt seiner Sendungen rückt. Wie es ihm vor einiger Zeit gelungen ist, indem er sich im Erklimmen der Reling eines im Hafen vor Anker liegenden Schiffes, höchst medienwirksam hat ins Wasser fallen lassen, um dies zum Gegenstand seines Buchjournals zu machen. In dessen Rahmen seine Buchempfehlungen mit schöner Rehgelmäßigkeit im Hinweis darauf gipfeln: „Bitte vertrauen Sie mir. Ich weiß wovon ich rede. Und lesen sie dieses Buch“. Eine nicht minder abschreckende Wirkung (auf mich) erzielt er auch mit seinen Kurzrezensionen von Bücher auf den jeweiligen Bestsellerlisten. Hopp oder Topp! Um damit eine eher abschreckende, als lesefördernde Wirkung zu erzielen. Ganz davon zu schweigen, dass sein literarischer Geschmack, was sein gutes Recht ist, sich stark am Mainstream auf dem Buchmarkt orientiert und nicht daran, was relevant ist. Was natürlich eine absolut subjektive Kategorie ist. Was ihm anzukreiden ist, besteht darin, den Eindruck von Objektivität und Allgemeingültigkeit zu vermitteln.
Niemand, den er mit einem Autor oder dessen Werk konfrontiert, kann jedoch sicher sein, dass dies einen anderen Zweck erfüllt, als des Rezensenten eigenem Lesegeschmack zu dienen. Womit ich mich nicht nur auf den Genannten beziehe, sondern die Gattung der Rezensenten als solche. Insa Wilkes Beitrag in der Wochenzeitung ZEIT ist ein sehr umfangreiches, kluges und beredtes Zeugnis für die eigene Bedeutung und der von Literaturkritik an sich. Und kann als Beleg dafür dienen, es in ihr mit einer Kritiker*in zu tun zu haben, die voll vom Gewicht ihres Metiers überzeugt ist und das auch zum Ausdruck zu bringen versteht.
Nicht nur anhand ihres Beispiels, sondern auch im Fall zahlreicher anderer Rezensent*innen und Kritiker*innen, ist davon auszugehen, sich alle in der Regel darin zu gefallen, Abstand davon zu nehmen, zum Ausdruck zu bringen, es in ihrer Beurteilung eines jeweiligen literarischen Werkes mit einer solchen überwiegend subjektiven Charakters zu tun zu haben. Wovon ich Elke Heidenreich ausdrücklich ausnehmen möchte. Die sich seit vielen Jahren darauf versteht, ihre Buchempfehlungen mit ihrer persönlichen Vorliebe für das jeweilige Werk zu begründen und mit ihrem subjektiven Lesegeschmack.
Worunter Literaturkritik am meisten leidet, besteht in ihrer Selbstüberschätzung und Tendenz, dem jeweiligen Leser einen objektiven, allgemeinverbindlichen Eindruck zu vermitteln, um damit nich selten, wenn nicht in der Regel, zu dessen maßlosen Entäuschung beizutragen. Vieles, was Menschen trotz allem an Büchern interessiert, denen sie ihre Aufmerksamkeit widmen, spielt sich heute im Netz ab. Und zwar auf überraschend vielfältige und diverse Weise, die unserer literarischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit mehr entspricht, als das, was sich – in Relikten – nach wie vor immer noch im Hörfunk, TV und Printmedien wiederspiegelt.
Wovon sich das im queeren Buchladen Eisenherz Berlin jahrelang praktizierende Team des „Queeren literarischen Quartetts“ unter Leitung von Matthias Frings angenehm unterschied. Weshalb ich es immer noch vermisse.