Dem Roman des amerikanischen Autors Benjamin Alire Sáenz gelingt es, das Wesen des klassischen Jugendromans mit dem der abenteuerlichen Entwicklungsgeschichte zu verbinden. Und zwar mit den Mitteln eines verständlichen, aber nicht schlichten, sondern flirrenden und irisierenden Sprachduktus von in Atem haltender Spannung und Durchsichtigkeit. Weiterlesen
Feuilleton
Der Literaturpapst als Clown und Tanzbär einer immer noch überwiegend print- und fernsehaffinen Mediengesellschaft im Umbruch
Reich-Ranicki hat mehr als mit seinen Zeitungsverrissen im Medium Fernsehen Furore gemacht. Sein Schlachtfeld war über mehr als 70 Folgen hinweg das „Literarische Quartett“ des ZDF. Weiterlesen
In einer kalten Winternacht in Berlin
Darf Literaturkritik zum Ausdruck bringen, den Autor eines zu besprechenden Werks, als Typen nicht leiden zu können, wie es Elke Heidenreich im Literaturclub des Schweizer Fernsehens am 27, Januar dieses Jahres unterlaufen ist?
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Was sie nicht daran hinderte, sich auch auf differenzierte Weise auf ihn zu beziehen, als „blitzgescheit, provokativ, müde und abgefackt … spannend aber nicht erfreulich“. Weil „ich den Mann nicht leiden kann“. Ihr den Eindruck einer „müden, angegammelten, obdachlosen alten Frau“ vermittelnd: „miesepetrig und herummäkelnd“. Kein Atheist, aber Agnostiker, der für Ärger sorgt – nicht nur in der literarischen Welt. Was diese gerade spannend zu machen verspricht.
Im Unterschied zu Heidenreich lassen es sich ihre männlichen Gegenspieler Julian Schütting und Thomas Strässle nicht nehmen, den Roman, als „Buch der Stunde“auf seinen satirischen Gehalt abzuklopfen, den sie ihm zugute halten und nicht absprechen wollen. Weil sie sich einig sind, ansonsten über wenig literarisches Gewicht zu verfügen: sprachlich auf der Ebene glanzloser Belanglosigkeit angesiedelt. Als satirisches Pamphlet, dessen Protagonist seinem Autor als Alter Ego dient und ihm sozusagen aus dem Gesicht geschnitten ist. Dazu da, sich selbst wie in einem Spiegel in ihm zu erblicken.
Wesentlicher Bestandteil des Romans ist der Islam – als Religion der Unterwerfung und Hingabe: Der Mann unterwirft sich Allah, die Frau dagegen dem Mann. Als hinreichender Erklärung für den heftig umstrittenen, ratlos machenden Schleierzwang, mit dem Frauen in der islamischen Welt konfrontiert sind. Die sich herausnimmt, den damit verbundenen Druck als Freiheit der Wahl zu deklarieren. Obwohl es sich in Wahrheit bloß darum handelt, dem Feminismus westlicher Prägung Paroli zu bieten.
Ein Ergebnis der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Frankreichs nach der 2022 zu vollziehenden Unterwerfung unter den Islam besteht u.a. darin, dass sich der islamische Präsident darauf versteht, die Frauen dafür zu gewinnen, sich aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen und künftig am Herd zu verwirklichen. Was genügt, um Frankreichs Arbeitslosenzahlen rapide sinken zu lassen. Weil Frauen in der Arbeitswelt keine Rolle mehr spielen und nicht an der islamisierten Universität Sorbonne, an der sie ab diesem Zeitpunkt nur noch tief verschleiert, in der Bourka in Erscheinung treten.
Woraufhin der Protagonist des Romans ihren Anblick im Minirock im Straßenbild von Paris vermisst und entsprechend sexuell frustriert darauf reagiert.
Ein weiteres Ergebnis des Wahlerfolgs der Muslimbruderschaft und ihrer Regierungskoalition mit den abgeschlagenen Konservativen der Partei NIkolas Sarkozys und der Sozialisten Francois Hollandes besteht auch darin, damit dem überwältigenden Wahlsieg und Erfolg des Front National die Stirn zu bieten.
Als Universitätsdozent mit dem Schwerpunkt des Autors Joris Karl Huysmans (19. Jahrhundert), sieht sich unser Protagonist zunächst mit der fristlosen Kündigung konfrontier, bei vollen Bezügen, die in ihrer Höhe denen des Altersruhestands entsprechen. Der Clou besteht für ihn aber in dem verlockenden Angebot der Weiterbeschäftigung bei drei mal höheren Bezügen – unter der Voraussetzung der Konversion zum Islam. Was ihm ein exorbitantes, also mehr als komfortables Auskommen verspricht. Und nicht zuletzt auch die Lösung seiner sexuellen Probleme. Dank der mit dem Wechsel zum Islam verbundenen Aussicht auf mehrere Ehefrauen. Ein Vorgeschmack darauf eröffnet sich ihm im Kontakt mit blutjungen arabischen Huris, die sich auf eine umfassende sexuelle Befriedigung des Geschundenen verstehen. Woraufhin sich dem Geschlagenen weitere vielversprechende Perspektiven eröffnen, die ihn den Verlust der jüdischen Freundin, nach deren Auswanderung nach Israel, rasch verschmerzen lassen.
Ob er wirklich den Schritt zur Unterwerfung vollzieht, lässt der Autor jedoch offen. Vielleicht weil er sich selbst in dieser Hinsicht unschlüssig ist und er sich noch andere Optionen offen lassen will. Weil sein Roman seiner Anlage nach einem gedanklichen Experiment entspricht. Das untrennbar mit den Ereignissen in Frankreich in den ersten Januartagen verbunden ist. Und mit der Tatsache, dass sein Erscheinen genau am Tag des terroristischen Anschlags auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo erfolgte, dessen Titelblatt dem Autor des Romans in Gestalt einer Karikatur von ihm gewidmet war.
Ich muss gestehen, dass mich diese Koinzidenz neugierig gemacht und zur Lektüre des Romans „Unterwerfung“ veranlasst hat. Die mich dann über weite Strecken hin, dank vorhersehbarer, also nicht überraschender Handlung überwiegend kalt gelassen hat. Weil der Autor es versäumt hat, eine Spannung aufzubauen, die seinen Roman lesenswert gemacht und ihm darüber hinaus auch zu einem sprachlichen Glanz verholfen haben würden, den ich als Leser weitgehend vermisse.
Was alles wichtige Gründe sind, die mich veranlassen, von seiner Lektüre abzuraten. Auch wenn er gleichwohl dafür verantwortlich ist, dass ich vor einigen Tagen, unterwegs im winterlichen Tiergartenareal Berlins daran erinnert war. Und zwar nach einem Konzert der Cellistin Sol Gabetta und ihres Pianisten Bertrand Chamayou. Die auf den Beifall des Publikums im Kammermusiksaal der Philharmonie mit einigen Zugaben reagierten. Auch ich war von ihrem Programm hingerissen und der Musik Schumanns, Mendelssohn-Bartholdys und Chopins. Immer noch in mir nachklingend, während ich mit zwei Begleitern in der nächtlichen Tiergartenstraße in Berlins Mitte unterwegs war. Zu einem unweit der italienischen Botschaft geparkten PKW, als unserem fahrbaren Untersatz.
Abrupt vom Anblick der trutzburgartig anmutenden Fassade der türkischen Botschaft überragt. Und vom wirkmächtigen Anblick des an ihrer Fassade angebrachten, alles überstrahlenden Halbmond mit Stern. Wie er auch für den Eingang der Pariser Sorbonne nach der islamischen Machtübernahme charakteristisch war. Als Ergebnis der Einflussname der finanzstarken Saudis.
Durch das Symbol von Halbmond und Stern u.a. auch an das von Hammer und Sichel erinnert, als jenem für die frühere Sowjetunion charakteristischen Emblem. Das auch an der Fassade ihrer vormaligen Botschaft Unter den Linden zu besichtigen war. Inzwischen abgelöst durch die Russische Föderation – mit ihrem gegenwärtigen Repräsentanten in Gestalt Vladimir Putins. Von dem ich nicht weiß, wie er die Nacht des Mauerfalls am 9 November 1989 verbracht hat. Im Unterschied zum damaligen sowjetischen Botschafter in der Hauptstadt der DDR, der sie dem Vernehmen nach verschlafen hat. Was auch für die Notwendigkeit seiner Ablösung spricht. Um anderen nach ihm Platz zu machen. Die sich inzwischen, 25 Jahre später anschicken, Westeuropa und seinen Werten den Kampf anzusagen. Welches davon ausgehen darf, sich samt seiner Aufklärung, westlichen Dekadenz und Laizismus‘ von zwei Seiten in die Zange genommen zu erfahren. Was nach Auffassung des Autors Michel Houellebecq in seinem Roman erforderlich macht, an Karl Martell zu erinnern, dem es zu seiner Zeit gelungen ist, die Mauren vor den Toren von Paris in Schach zu halten und ihnen eine empfindliche Niederlage beizubringen.
Seit sich die Russische Föderation entschlossen hat, sich nicht mehr hinter dicht gemachten, unzugänglichen Mauern abzuschotten, ist sie nicht nur in der Lage, sich die Krim, sondern auch Teile der Ukraine einzuverleiben. Mit der Option, es nicht dabei bewenden zu lassen. Weshalb wir davon ausgehen dürfen, es in Putins Traum von einem Europa von Lissabon bis Wladiwostok mit einem trojanischen Pferd zu tun zu haben. Soviel zum Thema einer über das Jahr 2022 hinausreichenden Fortschreibung von Houellebecqs Roman.
Vor dem Hintergrund einer Winternacht im Tiergartenareal in Berlin und unterm Eindruck, es in der Ukraine mit einem starken Druck von russischer Seite ausgesetzten Außenposten der Europäischen Union zu tun zu haben. Was eine junge ukrainische Studentin vor fünf Jahren bereits vorweg nahm, als sie Kiew den Rücken kehrte, um sich zum Wechsel nach Berlin zu entschließen und zum Studium der Literaturwissenschaften an der FU in Dahlem. Weil es in ihrer Heimat damals bereits nicht zum Aushalten war. Vor dem Hintergrund einer wenige Tage nach ihrer Eröffnung in Flammen aufgegangenen lesbisch/schwulen Galerie, die aufgrund eines homophoben Anschlags einem Molotowcocktails zum Opfer fiel. Als Auftakt zu einer Welle der Gewalt, wie sie inzwischen die Ukraine überzieht. In weiten Teilen an den Anblicks Berlins nach dem Krieg erinnernd. Und an den des damals abgeholzten Tiergartens, der dem Ackerbau diente, zur Gewährleistung der Nahrungsversorgung der Berliner, die auf die Hilfe und Unterstützung amerikanischer Rosinenbomber angewiesen waren. Genau wie die westliche Hälfte des von den Truppen der Alliierten befreiten Deutschlands. Samt damit verbundenen Schuldenschnitts und Marshallplans.
Gipfelnd in der Forderung: Nie wieder Krieg! Siebzig Jahre später in Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. Angesichts der drohenden Aufrüstung der Ukraine durch die USA. Als einem weiteren Szenario, das keiner sich wünschen kann und vorstellen mag. Als Ergebnis der Bedrohung der zarten Pflanze der Demokratie. Vor dem Hintergrund der Fiktion einer drohenden Machtübernahme durch den Islamischen Staat. Wie sie in Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ eine bedeutende Rolle spielt.