Anlässlich eines Gesprächs über den Missbrauchsvorwurf gegen Michel Foucault berichtete der DLF am 8. Mai 2021 darüber, dass der 1984 an AIDS verstorbene französische Philosoph durch einen dem rechten Spektrum in Frankreich zuzuordnenden Journalisten Guy Sorman des Delikts des Missbrauchs tunesischer Jugendlicher bezichtigt wurde. Der einen Beweis dafür in Anspruch nahm, der über keine Beweiskraft verfügt, weil er sich auf Mutmaßungen und keine unmittelbar persönliche Wahrnehmung oder andere stichhaltige Zeugnisse stützt. Zitat DLF: „Beweise dafür gibt es nicht“. Was Andrea Roedig, österreichische Literaturkriterin, nicht daran hinderte, am 25. 04. 2021 auf DLF zum Ausdruck zu bringen: „Ob Foucault wirklich Sex mit Epheben auf dem Friedhof hatte? Vermutlich schon!“ Während Jürgen Ritte in einem Gespräch mit Michael Köhler im selben Rundfunksender Guy Sormans Lebensgefährtin Chantal Charpentier folgendermaßen zitiert: „Ich möchte mir nicht vorstellen, wie er (Foucault) sexuell mit den Jungen des Dorfes umging… Beweise dafür, dass er sie missbraucht hat, habe ich nicht.“
An anderer Stelle des Gesprächs bezieht Ritte sich darauf: „Das französische Magazin jeune afrique hat vor Ort in Tunesien recherchiert. In der vor wenigen Tagen erschienen Reportage erinnern sich Zeitzeuginnen und Zeitzeugen anders an die Ereignisse vor über 50 Jahren in Sidi Bou Said: Foucault habe sich damals nicht pädophil verhalten, wird ein Mann namens Moncef Ben Abbes zitiert. Der Franzose sei von Jungen von 17 oder 18 Jahren verführt worden: Mit denen er sich für kurze Zeit in den Wäldchen unter dem Leuchtturm neben dem Friedhof getroffen habe. Auch sexuelle Kontakte mit Jugendlichen in diesem Alter wären allerdings nach den damals in Tunesien und Frankreich geltenden Gesetzen illegal gewesen.“
Jürgen Ritte: „Absolut skandalös nannte er den Umstand, dass solche Verdächtigungen ungeprüft durch die Presse gehen. Ich glaube, ehrlich gesagt, kein Wort. Und gefragt nach Beweisen, hat bisher niemand auch nur die Spur eines solchen vorlegen können. Kein Mensch hat auch nur ansatzweise bestätigt, was Sorman und Charpentier jetzt in die Welt setzen und womit sie sich jetzt in die Medien, in die Schlagzeilen bringen. Ich vermute, da ist ein ganz zynischer Schachzug dahinter.“ (DLF)
Dieser Auseinandersetzung ist in Frankreich eine andere Mediendebatte vorausgegangen. Über den vor allem in Frankreich bekannten Autor Gabriel Matzneff, der vor Monaten entsprechenden Vorwürfen ausgesetzt war. Die ihm aufgrund ihrer Beweiskraft zum Rückzug aus dem öffentlichen Leben der französischen Hauptstadt veranlasst haben. Basierend auf dem Thema Pädosexualität, das in seinen Romanen eine Rolle spielt. Von einer unmittelbar davon Betroffenen des an ihr im Alter von 14 Jahren vollzogenen Missbrauchs angeklagt. Als nachhaltig genug nachvollziehbar, dass der Beschuldigte keine andere Möglichkeit sah, als die oben erwähnte Konsequenz zu ziehen.
Auch im Fall des seit Jahren in Vergessenheit geratenen französischen Autors Tony Duvert können wir davon ausgehen, es in der Pädophilie mit seinem Lebensthema zu tun zu haben. Nicht nur anhand seines 1976 veröffentlichten Roman „Als Jonathan starb“ nachvollziehbar, sondern auch dank eines ihm zuzuschreibenden Hinweis darauf, im Laufe seines Lebens mit ca 1000 Jugendlichen sexuelle Kontakte unterhalten zu haben. Einer, der in den 1970er Jahren in Frankreich über einen nicht unbeträchtlichen Bekanntheitsgrad verfügte, als Autor von einem Dutzend Romanen. Von denen einer 1976 mit dem – neben dem Prix Goncourt – bekanntesten französischen Literaturpreis Prix Medici ausgezeichnet wurde. Damals bereits umstritten und Widerspruch erregend. Im Fall eines Autors, der seit 1982 mit keiner weiteren Veröffentlichung mehr auffiel und die Zeit bis 2008 zurückgezogen, fernab der französischen Hauptstadt, auf dem Land verbracht hat. Im Rahmen eines von der Öffentlichkeit abgeschnittenen, isolierten und wie zu vermuten ist, einsamen Lebens. Ein Indiz dafür besteht nicht zuletzt darin, dass sein damaliger Tod erst vier Wochen nach seinem Ableben entdeckt wurde. Kein angenehmer Gedanke, für niemanden von uns.
Im Fall Michel Foucaults könner wir mir Sicherheit soviel unterstellen, dass er 1984 an AIDS starb. Nachdem er sich in einer Schwulensauna in San Francisco mit HIV infiziert haben soll. Darüber hinaus ist bekannt, sich mit Jean Paul Sartre, Simone de Beauvoir und anderen französischen Intellektuellen an einer Kampagne zur Legalisierung der Pädosexualität beteiligt zu haben. Als Ausdruck des in linken Kreisen grassierenden Zeitgeists. Wovon auch die Partei der Grünen in Deutschland in ihrer Gründungsphase, Anfang der 1980er Jahre betroffen war. Weil Pädos‘ zu diesem Zeitpunkt sehr aktiv waren. Wie Peter Schult beispielsweise, dessen 1978 erschienenen „Besuche in Sackgassen“ eine viel beachtete Lektüre war und Aufsehen erregt hat. Unter Bezugnahme darauf, dass sein sexuell motiviertes Interesse an Jugendlichen mit dem Anspruch verbunden war, sich für ihre Sache starkzumachen. Wie weit dies mit den Erwartungen Betroffener identisch war, ist zu hinterfragen. Wesentlich war damals, Jugendlichen überhaupt eine sexuelle Identität zuzubilligen. In der Absicht, ihren vorpubertären Zustand nicht auschließlich als solchen der Unschuld zu definieren. Umstritten ist dagegen, welche Rolle Erwachsene dabei spielen (sollen).
Die schwule Empanzipationsbewegung der 1970er Jahre hat Pädophile, wenn auch nicht unmittelbar, „eingeladen“, sich in sie einzubringen. Der Höhepunkt ihres Engagements bestand in der Teilnahme an einer 1982 in der Bonner Beethovenhalle in Szene gesetzten Veranstaltung, an der neben zahlreichen schwulen Aktivisten und von ihnen zur Diskussion über das Thema Homosexualität eingeladene Vertreter politischer Parteien, auch eine Gruppe aus Nürnberg angereister Jugendlicher beteiligt war. Angehörige einer sogenannten Indianerkommune. Die mit dem Anspruch Aufmerksamkeit erregte, sich ihrerseits in die Veranstaltung einzubringen. Das Misslingen dieser Absicht hat sie mit einem ohrenbetäubenden Trillerpfeifenkonzert quittiert, um die Veranstaltung damit zu sprengen. Nachdem sie offenbar durch eine Gruppe Pädophiler dafür instrumentalisiert worden war. Als einem Wendepunkt im Verhältnis schwuler Aktivisten und Pädophiler.
Deren Verhältnis zu einander auf der Erfahrung ihrer gesellschaftlichen Verfolgung und Kriminalisierung basiert. Weniger dagegen in ihrer jeweiligen sexuellen Orientierung. Weitere Berührungspunkte bestanden im gemeinsamen Mythos der sogenannten griechischen Liebe, als spezieller Form der Beziehung Erwachsener mit Jugendlichen in der griechischen Antike. Spätestens seit 2010 sind wir angesichts zahlreicher, unsere Gesellschaft erschütternden Missbrauchsfällen für das Thema sensibilisiert. Das sowohl die jeweiligen Glaubensgemeinschaften, als auch andere gesellschaftliche Bereiche wie: Sport, Schule, vor allem und nicht zuletzt aber auch unsere Familien tief erschüttert hat. Womit wir seitdem auf bestürzende Weise in immer kürzeren Abständen konfrontiert sind.
Was sich in den 1970er Jahren u. a. im Programm des 1975 gegründeten ersten schwulen Verlags, rosa Winkel, niedergeschlagen hat – bezogen auf damals veröffentlichte Titel, wie die dorische Knabenliebe, oder Knaben, die Männer lieben, die Knaben lieben & Männer, die Knaben lieben, die Männer lieben, war auch anhand des 1984 im selben Verlag erschienen Roman Tony Duverts „Als Jonathan starb“ nachvollziehbar. Damals als wortwörtliche, den Eindruck eines sprachlichen Steinbruchs vermittelnde Übersetzung Francois Pescatores dazu da, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, dass dieser der deutschen Sprache kaum mächtig war. Jedenfalls hätte seine Übersetzung des Romans dringend eines Lektorats bedurft. Diese Aufgabe hat 2011 der Verleger des Männerschwarm Verlags Joachim Bartolomae übernommen, mit seiner die frühere Ausgabe in jeder Hinsicht übertreffenden Neufassung. Als der Voraussetzung dafür, dass der Roman Duverts eine auch nur ansatzweise polarisierende Wirkung zu entfalten in der Lage war. Bezogen auf seinen Protagonisten Jonathan und dessen sexuell motivierten Kontakt mit dem 6jährigen Serge. Im Hinblick auf sie hat der Autor keinen Hehl daraus gemacht, es in ihrer Beziehung mit einer solchen „biologischer“ Natur und Charakters zu tun zu haben. Die nicht unmittelbar auf Liebe oder Empathie basiert. Wobei der vom Älteren anal penetrierte Minderjährige mit dem Hinweis darauf reagiert: „Es tut weh!“ Was zum Ausdruck bringt, was den Kritiker Angelo Algieri bei Erscheinen des Romans veranlasst hat, seine Kritik daran auf Queer. de unter der Überschrift zu veröffentlichen: „Penetration eines Sechsjährigen“. Um damit einen wahren Shitstorm von annähernd 96 Kommentaren nach sich zu ziehen.
Sowohl die hier genannte Buchausgabe, als auch der dem Autor gewidmete Wikipedia-Eintrag lässt den Bezug auf das Thema Pädophilie und Pädosexualität vermissen. Denkbar wäre gewesen, darauf aufmerksam zu machen, es dabei mit dem Lebensthema und der sexuellen Identät des Autors zu tun zu haben. Für den herausgebenden Verlag würde das ein schwer kalkulierbares Risiko bedeutet haben. Im Fall Schwuler sorgte der berüchtigte § 175 für die Tabusierung der Homosexualität. Wovon schwule Jugendliche über viele Jahrzehnte betroffen waren. Weshalb homosexuelle Kontakte in meiner Jugend überwiegend als kurzfristige sexuell motivierte Begegnungen erlebbar waren. Weil eine tiefere oder gar innige Beziehung zwischen den Beteiligten unter solchen Bedingungen kaum realisierbar war. Vor dem Hintergrund der uns unterstellten Promiskuität und Beziehungsunfähigkeit. Ohne wenigstens ansatzweise zu berücksichtigen, dies nicht zuletzt einer dem § 175 anzulastenden traumatisierenden Erfahrung zu verdanken. Die mancher sich teilweise bis ins hohe Alter bewahrt hat. Beispielsweise im Fall der Insassen von Pflegeeinrichtungen oder Bewohnern von Seniorenheimen, in denen mancher im Alter noch immer Schwierigkeiten hat, sich zu offenbaren. Weil er immer noch dem von ihm praktizierten Versteckspiel unterliegt. Wie im Fall des amerikanischen Kulturjournalisten und Buchautors Paul Moor. Der nicht nur durch seine 1994 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Verdienste um den deutsch-amerikanischen Kulturaustausch bekannt war, sondern auch durch seinen Briefwechsel mit und seiner Biographie über den jugendlichen Triebtäter und schwulen Serienmördere Jürgen Bartsch. Der Knaben nachstellte, die alle jünger als er selber waren, um sie nicht nur sexuell zu missbrauchen, sondern anschließend zu töten und ihre Leichen in einem Stollen unter der Erde zu verscharren. Unter seinen späteren Haftbedigungen war er darauf angewiesen, sich für den Abschied von einem rein triebgesteuerten Leben zu entscheiden, in Gestalt einer an ihm vollzogenen Kastration. Um im Rahmen der an ihm vollzogenen Operation nicht mehr aus der Narkose zu erwachen.
Im Alter von 85 Jahren ist es Paul Moor schwergefallen, sich nach einem Schlaganfall im Rahmen des Aufenthalts in einer Pflegeeinrichtung mit dem Eintrag der Schwulenberatung Berlin als Ansprechpartner in seiner Akte abzufinden. Als Folge seines regelmäßigen Kontakts mit mir, als ehrenamtlichem Mitarbeiter des Mobilen Salon, dem Besucherdienst für ältere schwule Menschen, die nicht mehr mobil sind. Den Eintrag hat er spontan streichen lassen. Aus Furcht vor damit verbundenen Nachteilen. Darauf angewiesen, zu vermeiden, damit eine Angriffsfläche zu bieten, um lebhaft zu bedauern, nie gewagt zu haben, sich zu offenbaren. Seinen 75. Geburtstag hat er mit zahlreichen Freunden gefeiert. Den 85. dagegen, zehn Jahr später, 2010, einsam in einem Krankenhauszimmer des Benjamin Franklin Klinikums im Steglitz verbracht. Als Ergebnis erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Unter den wenigen, an den Fingern einer Hand abzuzählenden Besuchern, befand sich u. a. ein jugendlicher Nachbar aus dem Umfeld seiner Wohnung in der Wilmersdorfer Wilhelmsaue, der seine Dankbarkeit zum Ausdruck brachte, durch Paul Moor in der Phase seiner Pubertät viel Zuspruch und Ermutigung erfahren zu haben. Sein Tod im Alter von 86 Jahren, war – laut Aussage einer seiner Pflegekräfte – nicht ausschließlich in seinem Alter und gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründet, sondern in der Erfahrung, dass ihm sein einsames Leben nicht mehr lebenswert schien. Seine sterblichen Überreste hat Paul Moor der Berliner Charité zu Forschungszwecken hinterlassen.
Im Unterschied zu Deutschland verfügt die französische Literaturgeschichte über eine lange Tradition im Umgang mit „schwierigen“ Autoren. Für die sie über ein eigene Gattungsbezeichnung verfügt: Poesie Maudit. Der über Frankreich hinaus bekannte Philosoph und Publizist Georges Bataille hat dem mittelalterlichen Kindermörder und der Sagengestalt des Ritter Blaubart, Gilles de Rais, viel publizistische Beachtung gewidmet. Als dem Fall eines Marschalls Frankreichs und Weggefährten Jeanne d’Arcs, der im 15. Jahrhundert auf der Jagd nach Knaben war, um diese in kaum überschaubarer Zahl der Folter und dem anschließenden Tot zu unterziehen. Ehe es soweit war, ihn selber dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
In Comte de Lautréamot, Arthur Rimbaud, Paul Verlaine, bis zu Jean Genet verfügt Frankreich über zahlreiche Autoren, die wir im deutschen Sprachraum vermissen. Die gleichwohl meine Entwicklung bestimmten. Ebenso wie Jean Cocteau. In Frankreich dafür berüchtigt, sich vorzugsweise in wesentlich jüngere Liebhaber zu verlieben und die damit verbundenen Enttäuschungen mit öffenltich nachvollziehbarem Drogenkomsum kompensiert zu haben. Während uns der weltberühmte Roman Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ nicht nur mit dem Schatten junger Mädchenblüte, sondern einem umfangreichen Kapitel über Sodom und Gommorrha konfrontiert. Auch Anhand der Biographie des Autors ist nachvollziehbar, dass sein Leben kein Zuckerschlecken war. Nachdem er sich aus dem öffentlichen Leben von Paris zurückgezogen hatte, über Jahre hin von seinem umfangreichen Romanwerk in Anspruch genommen. Innerhalb seiner schalldicht mit Kork ausgestattenen Schlafzimmerwänden. Um seine Wohnung überwiegend nachts zu verlassen. Und sich in einem dafür berüchtigten Männerbordell in Paris ein Zimmer zu mieten und mittels Wandöffnung wenigstens optisch an den Vorgängen des benachbarten Raums zu partizipieren, samt damit verbundenem Lustgewinn. Bemerkenswert ist, dass mit Vollendung seines epochalen Romans im Alter von Anfang 50 Jahren auch sein Lebensziel verwirklicht war.
Im mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten französischen Romancier André Gide, haben wir es u. a. mit dem Verfasser des großartigen Romans „Die Falschmünzer“ zu tun, der mich ebenfalls über weite Strecken meiner Jugend begleitet hat. Als Liebesbeziehung seines Protagonisten Edouard mit einem minderjährigen Neffen. Als Autor dafür bekannt, mit seiner Schrift Corydon bereits 1917 der sogenannten griechischen Liebe ein Denkmal gesetzt zu haben. Während er sich in seinen Erinnerungen „Stirb und Werde“ auf die Erfahrung bezieht, sich im Rahmen wiederholter Ferienaufenthalte in Marokko in junge arabische Flötenspieler verliebt zu haben. Durch Oscar Wilde persönlich, anlässlich ihres gemeinsamen Aufenthalts dort, dazu ermutigt. Als einem in England des viktorianischen Zeitalters verfemten und zu einer Zuchthausstrafe verurteiltem Autor, dem nicht erspart blieb, sein Leben im Pariser Exil unterhalb der Armutgsgrenze zu fristen. Um sich im Alter von 48 Jahren für immer davon zu verabschieden.
Beim Erwerb des 1965 im Rowohlt Verlag erschienen Romans Jean Genets, Querelle, war ich darauf angewiesen, mittels Unterschrift unter eine dem Buch beiliegende Erklärung nicht nur meine Volljährigkeit zu bestätigen, sondern mich zu verpflichten, das Werk nicht an Jugendliche unterhalb des Volljährigkeitsalters von damals 21 Jahren weiterzureichen. Nach Herausgabe des Romans Notre Dame des Fleurs desselben Autors war der Hamburger Merlin Verlag darauf angewiesen, dessen Freigabe im Verlauf eines Prozeses von der Dauer eines Jahres vor dem höchsten deutschen Gericht zu erstreiten. Nur dank Kunstvorbehalts dazu in der Lage. Weil Homosexualität damals das gesellschaftlich sanktionierte Tabu war. Und es darum naheliegend schien, dem Autor eine „Verführungsabsicht“ zu unterstellen und „Werbung“ für die Homosexualität.
Was sich in den vergangenen Jahrzehnten glücklicherweise verändert hat. Nicht im Fall der Pädosexualität. Von der zahlreiche Jugendliche in allen gesellschaftlichen Bereichen betroffen sind. Es gibt zahllose Beispiele dafür, wie sehr sie ein Leben lang darunter leiden. Weshalb sich die Gesellschaft mit Recht darum kümmern muss. Um einen wesentlichen Aspekt jedoch außer Acht zu lassen: Den Fall der Täter. Meines Wissens ist die Berliner Charité eine der wenigen, wenn nicht die einzige Einrichtung, die ein Programm aufgelegt hat, das die Belange der Täter zum Gegenstand hat. Im Sinne der Prävention und Vorbeugung: https://www.kein-taeter-werden.de Auch als Schwule neigen wir dazu, uns davon abzugrenzen. Weil wir immer wieder von der nicht zu rechtfertigenden Gleichsetzung von Homosexualität und Pädosexualität betroffen sind. Beispielsweise im Fall des zeitweiligen Kandidaten um den CDU-Parteivorsitz Friedrich Merz, der auf den Vorwurf der Homophobie mit dem Hinweis reagierte: „Ich habe nichts gegen Schwule, solange sie ihre Finger von unseren Kindern lassen!“
Wäre es nicht einer Überlegung wert, mit der Aufhebung der Tabuisierung des Themas dazu beizutragen, einen rationalen Umgang damit zu ermöglichen, um Druck vom Kessel zu nehmen? Im Fall von Menschen, für die sich alles überwiegend, wenn nicht ausschließlich um die Frage ihrer zwanghaften Triebtäterschaft dreht. Im Rahmen eines unvermeidlichen lebenslangen Versteckspiels. Um sich früher oder später unweigerlich als explossive Mischung bemerkbar zu machen. Für Schwule, die wie ich unterm § 175 aufgewachsen sind, reduzierte sich alles auf den Aspekt sexuell motivierter Kontakte und Austausch miteinander. Seit der Abschaffung des § 175, unter Berücksichtigung des entsprechend notwendigen Jugendschutzes, sind wir in der Lage lebenswerte Beziehungen herzustellen, in denen sich nicht alles auf den raschen Austausch von Körperflüssigkeiten reduziert. Was uns inzwischen ein Leben ermöglicht, jedenfalls den Jüngeren von uns, wie es uns entspricht. Trotz Ehe für alle und Rehabilitation und Wiedergutmachung der Opfer des § 175, 2018, aber noch nicht am Ziel. Vor dem Hintergrund der im gegenwärtigen Wahlprogramm der AfD ausgerufenen Normalität, wie sie diese Partei versteht, in ihrem unermüdlichen Einsatz für Deutschland, aber normal.
Wie das aussieht haben wir am Beispiel des Umgangs Beatrix von Storchs mit transexuellen Menschen erfahren. Die sie pathologisiert. Beispielsweise aus Anlass der Bundestagsdebatte über das 2018 verabschiedete Gesetz zum Dritten Geschlechseintrag des Personenstandsrechts. Im Rahmen der queeren Coimmunity besteht ein Konsens darüber, alle von Sarah Wagenknecht (Die Linke) als solche apostrophierten und ausgegrenzten skurillen Minderheiten in sie einzubeziehen und niemanden auszuschließen. Mit Ausnahme Pädophiler. Dank damit verbundenen Missbrauchs und Aspekts der Gewalt, bis zur Gefahr der körperlichen Auslöschung ihrer Opfer.
Auslöschung ist auch in Tony Duverts Roman „Als Jonathan starb“ ein Thema. Anders als es der Titel suggeriert ist jedoch nicht der erwachsene Protagonist davon betroffen, sondern sein Opfer Serge. Der sich im Alter von 9 Jahren nach Verlassen seines unzulänglichen Elternhauses auf die Reise zu Jonathan begibt. Als Lichtblick. Am Rande einer Autobahnauffahrt, um die räumliche Distanz zu ihm per Autostopp zu überwinden, von strömendem Regen überrascht. In dem die Umrisse der grellen Scheinwerfer ihn passierender Automobile verwischen, mit denen Serge sich konfrontiert sieht. Im Gedanken daran, sich ihnen entgegenzuwerfen.
Während sich das offene Ende des Romans dafür anbietet, anhand seines Protagonisten Jonathan in Betracht zu ziehen, es in ihm mit dem Alter Ego seines Autors zu tun zu haben. Dessen Ende nach seinem Verstummen und Rückzug auf ein ländliches Refugium noch eine geraume Weile auf sich warten ließ. Um in seinem spät entdeckten Tod zu gipfeln. Als solcher uns allen bestimmt. Wenn auch nicht unter vergleichbaren Umständen. Angesichts eines Schicksals, wie seinem, das ich keinem wünsche. Weil es nicht empfehlenswert ist. Nicht für mich und auch niemand anderen sonst. Auch nicht meinen ärgsten Feind.