Herzlichen Glückwunsch zum 77. Geburtstag, Rosa von Praunheim!

Geburtstage bieten sich  dafür an, sie im engeren Kreis von Freunden zu feiern. Ausgenommen im Fall öffentlicher Personen. Und in dem Rosa von Praunheims haben wir es zweifelsohne mit einer solchen zu tun.

Schwule Ikone ist noch die mildeste Umschreibung, die einer wie er sich – zurecht – gefallen lassen muss, dessen Leben sich vielleicht nicht überwiegend, aber immer wieder in der Öffentlichkeit wiederspiegelte. Um sich auch in der Feier seines 77. Geburtstags am 26. November 2019 im Charlottenburger Kant-Café am Walter-Benjamin-Platz niederzuschlagen. Vor allem aber in seinem unbestreitbar umfangreichen lebenslangen filmischen Werk. Für das er demnächst den Max-Ophüls-Preis für sein Lebenswerk erhalten wird. Als Ausnahmekünstler, dessen Wirkung sich weit in den Bereich des Privaten erstreckt, als Ergebnis öffentlicher Verlautbarungen, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben und Schaffen ziehen und uns den vielleicht fälschlichen, aber nichtsdestotrotz naheliegenden Eindruck vermitteln, alles über ihn zu wissen.

Womit wir in Rosa von Praunheim die vollkommene Personifizierung des Anspruchs auf schwule Sichtbarkeit erblicken dürfen, die überhaupt denkbar ist. Um mich an meine eigenen Ursprünge zu erinnern, die ohne ihn nicht denkbar sind. Beispielsweise im Fall meiner Teilnahme an der Aufführung seines Films „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ im Rahmen der Berlinale an einem Abend im Mai 1971 im Kino Arsenal in der Schöneberger Welserstraße.

Gemeinsam mit zahlreichen anderen Schwulen dort versammelt, und mit ihnen zusammen, dicht an dicht, wie die Sardinen in ihrer Büchse, auf das Geschehen auf der Leinwand fixiert. Mit dem unvermeidlichen Ergebnis einer Achterbahn der Gefühle und tief inneren Zerrissenheit. Um mich trotz allem absolut und total davon vereinnahmt zu erfahren. Mit damals 25 Jahren. Und das in einem solchen Umfang und Ausmaß, dass ich im Anschluss an das Leinwandspektakel („Raus aus den Klappen! Rein in die Straßen!“) nicht umhin kam, mich in die im Kinofoyer ausliegende Liste der Namen derjenigen einzutragen, von denen wenige Monate später die Initiative zur Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) ausging.

Die damit verbundene Zerrissenheit und mich berührenden Gefühle habe ich mir auch im Hinblick auf andere Filme Rosas, wie im Hinblick auf seine Person bewahrt. Der ich immer mit viel Bewunderung und Respekt, aber auch unausrottbarer Schüchternheit begegnete. Hingerissen von jenem Paar in den frühen Bettwurst-Filmen, Dietmar und Luzi, die so garnicht meiner eigenen Gefühlsverfassung entsprachen: „Luzi, Luzi, isch liebe disch ganz unwahrscheinlich!“

Um mich trotzdem zu vereinnahmen. In einer Phase meines Lebens, in der ich mit meinem damaligen Lover auf dem Ku’damm unterwegs war, als unserem Laufsteg und unserer Bühne. In hautengen aufreizend roten Jeans und sommerlichem T-Shirt, Und zwar Hand in Hand. Um das damit verbundene Aufsehen zu genießen – in Gestalt aller zahlreichen, sich nach uns verrenkenden Köpfen zufälliger Passanten.

Durch die ich zwei Jahre später, im Rahmen der Pfingstdemo der HAW 1973 – gemeinsam mit 800 lesbischen und schwulen Teilnehmer*innen – mit dem Ausdruck des Bedauerns konfrontiert war, uns als Schwule unter Hitler nicht alle vergast zu haben.

Diese Aktion der HAW war auch der Auftakt zum Tuntenstreit in Westberlin. Als Antwort auf die schlagzeilenartig reduzierte Berichterstattung in der BSZ in Gestalt einer unter dem Titel „Marsch der Lidschatten“ veröffentlichten Fotostrecke. Um damit den Auftritt von Tunten aus Rom und Paris zu kommentieren, die innerhalb der HAW wegen ihres exaltiert femininen Auftritts von der Forderung nach ihrem Rausschmiss betroffen waren.

Pfingsten 1973 war aber auch der Zeitpunkt meines eigenen Coming-outs an meinem Arbeitsplatz, der damals größten Buchhandlung Westberlins: Kiepert am Knie. Meiner WG-Gefährtin Pompadour (Coiffeur in Milans Salon in der Lietzenburger Straße und Mitglied der HAW, wie ich) hatte ich es zu verdanken, dass ich nach einer Mittagspause geschminkt und im Fummel an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt war. Nachdem sie es sich an einem Montag, also ihrem freien Arbeitstag, nicht nehmen ließ, mich auf dem Klo des Cafè am Steinplatz zu schminken. Um meinen Chef und meine Kollegen mit meinem Anblick als Tunte zu verblüffen, als Bekenntnis zu mir selbst. Mit dem Ergebnis einer überwiegend positiven Reaktion meines liberal orientierten Arbeitsumfelds.

Anders als schwule Lehrer war ich nicht von einem Rausschmiss betroffen. Wie  Baby Jane Hudson beispielsweise, als tuntische Lehrer*in, anlässlich ihres im Fummel vor ihrer Klasse absolvierten Unterrichts. Seinem Widerstand gegen seinen Rausschmiss und die mithilfe eines Arbeitsgerichtsverfahres erkämpfte Wiederaufnahme in den Schuldienst ist es zu verdanken, dass Homosexualität ab diesem Zeitpunkt kein Kündigungsgrund mehr war.

Pompadour war es, deren Bild aus Anlass der Berichterstattung über unsere Demo am Pfingstmontag 1973 in der ARD-Tagesschau über zahlreiche bundesdeutsche Bildschirme flimmerte. Mit einer alarmierenden Wirkung auf seine Mutter im Saarland und deren Reaktion darauf, es in ihrem Sohn Helmut in Berlin mit einer Tunte zu tun zu haben.

Meine Bewunderung und meinen Respekt für Rosa habe ich mir über die Jahrzehnte hin bewahrt. Auch in der Zeit der AIDS-Krise der 1980er Jahre. Bezogen auf seinen lebensrettenden Aufruf zum Verzicht auf ungeschützte sexuelle Kontakte und den Gebrauch von Kondomen. Safer Sex war für uns alle damals ein Fremdwort.

Auch sein Outing von Personen des öffentlichen Lebens auf dem „Heißen Stuhl“ von RTL hat daran nichts geändert. Im Gegenteil. Trotz damit entfesselten Skandals. Die Betroffenen haben sich später dazu bekannt, dass für sie keine Nachteile damit verbunden waren, aber eine spürbare Bereicherung ihrer Lebensqualität. Als einer auch in meinem Leben anlässlich des eigenen Coming-out nachvollziehbaren Erfahrung. Vor dem Hintergrund der mit dem ersten Berliner CSD 1979 verbundenen Forderung: „Mach dein Schwulsein öffentlich!“  Während Frauen damals mit ihrer eigenen Losung unerwegs und daran beteiligt waren: „Lesben erhebt euch und die Welt erlebt euch!“

Der Höhepunkt des Schaffens des Jubilars sollte sich nicht in den aus Anlass seines siebzigsten Geburtstags vor sieben jahren produzierten siebzig Filmen erschöpfen, die im Nachtprogramm des RBB über die Bildschirme flimmerten und es verstanden haben auch mich wachzuhalten. Heute stehen sie in einer Kassette zur Verfügung und sind in der Queeren Bibliothek Andersrum des Lebensort Vielfalt ausleihbar. Während Rosas Arbeit weiter andauert und sich noch lange nicht erschöpft hat, im Rahmen einer bewunderswerten Produktivität auch noch im Alter

Mein Wunsch für ihn besteht darin, sich diese weiterhin zu bewahren. Außerdem wünsche ich ihm, dass sich sein an diesem Abend zum Ausdruck gebrachter Traum erfüllt, einer späteren, nach seinem Tod zu vollziehenden leibhftigen Aufnahme in die Deutsche Kinemathek und Installation eines Bildschirms – zur pausenlosen, nicht abreißenden Wiedergabe seines umfangreichen filmischen Werks.

Um  zuletzt noch einen Bogen zu spannen, zwischen seinen frühen Filmen und seinem aus Anlass seines 77. Geburtstags vorgestellten Kinderbuchs für Erwachsene „Der große und der kleine Penis“. Als Ausdruck dafür, sich seine gleichsam kindhaft anmutende Naivität bewahrt zu haben, die ihm als Antrieb dient, um sie im Rahmen seines Schaffens weiterhin zum Einsatz zu bringen, als Quelle seiner bewundernswerten Produktivität. Mit der er sich – auch dank unzweifelhaft politischen Engagments – in unser Bewusstsein eingeschrieben hat, aus dem er nicht mehr zu vertreiben ist.

 

 

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