Aus Anlass einer Nacht der überraschenden Begegnungen und überwältigenden Gefühle, nach 42 Jahren SchwuZ in Berlin, an dessen Gründung ich 1977 beteiligt war, davon 6 Jahre im Rollbergkiez angesiedelt.
Bei meinem nächtlichen Aufenthalt dort, am Abend des 16. November, war es mal wieder soweit, mich einmal mehr darin bestätigt zu erfahren, es in dieser Location mit dem Ort zu tun zu haben, der den Eindruck der gesamten Vielfalt der queeren Community Berlins vermittelt, Als Ergebnis der Verwirklichung des Ziels und der Absicht, alle einzubeziehen und niemanden auszuschließen.
Was sowohl den Rollstuhlfahrer in mittleren Jahren mit blonden Strähnen in den dunklen Haaren betrifft, der mit einem ihn begleitenden Freund dort unterwegs ist, als auch den jungen Thai-Boy im Jockstrap, als dem von ihm bevorzugten Auftrittskostüm. Das ihm dazu dient, sich in exhibitionistisch anmutender Manier in Szene zu setzen und Aufsehen zu erregen, Ohne dass dies eine/r zum Anlass nimmt, sich auf übertriebene Weise darauf zu beziehen, um stattdessen den Eindruck der Selbstverständlichkeit zu vermitteln. Wovon alle dort bestimmt sind, um ihrerseits die Aufmerksamkeit Dritter zu genießen und ins gleißende Scheinwerferlicht einzutauchen. Wie es auch im Fall des Angehörigen der arabischen oder türkischen Community nachvollziehbar ist, dem sein Anblick in kurzen Hosen und knapp sitzendem T-Shirt dazu dient, sich trotz sichtbar an ihm nachvollziehbaren Übergewichts in Szene zu setzen. Und zwar auf spürbar selbstverständlich anmutende Weise. Um gleichfalls in die kaum überschaubare Menge derjenigen einzutauchen, für die es sich darum handelt, sich einer von mehreren Tanzflächen des SchwuZ zu bedienen, um sich vollständig zu verausgaben und vom unterschiedlichen Angebot der Musik von DJanes Gebrauch zu machen, die in der Lage sind, den Besuchern auf ihre jeweils hinreißende Weise zu ermöglichen abzurocken.
Nach einem Nachmittag, der ab 16 Uhr vom großartigen Icons-Galore-Voguing-Ball bestimmt war, der auch in der RBB-Abendschau eine Rolle spielte, den ich mir aber leider habe entgehen lassen. Um mich schließlich rechtzeitig vor Mitternacht zur im SchwuZ angesagten Party blicken zu lassen. Noch vor dem großen Ansturm derer, die im Anschluss daran darauf angewiesen waren, vor der Eintrittskasse eine Schlange bis auf die Straße zu bilden. Ehe sie in der Lage waren, die Nacht im SchwuZ zum Tag zu machen, sie also in vollen Zügen zu genießen. Um den Eindruck zu vermitteln, dass es für sie kein Morgen gibt.
Die bis auf die Straße reichende Schlange der Einlass Begehrenden war bei meinem Abschied vom SchwuZ gegen vier Uhr morgens immer noch genauso lange wie gegen Mitternacht. Trotzdem ist es den Mitarbeitern an der Garderobe gelungen, mich nicht allzulange darauf warten zu lassen, mir meinen Mantel über den Tresen zu reichen.
In lebhafter Erinnerung an die Begegnung mit Freunden, vor allem aber mit den großartigen Mitarbeitern des SchwuZ, denen es gelingt, den Laden allen Widrigkeiten und zeitweiliger Kritik an ihnen zum Trotz, am Laufen zu halten, Im Rahmen einer Institution und ihrer jahrzehntelangen Tradition, die darin besteht, dem Ansturm ihrer Gäste mit gleichbleibender Gastfreundlichkeit zu begegnen. In einer gelungen Mischung aus Party und Veranstaltungsort, die sich die Waage halten, um ihren Gästen den Eindruck zu vermitteln, willkommen zu sein. Und zwar ohne Unterschied, was das Ansehen der jeweiligen Person betrifft. Egal ob schwul, lesbisch, bi, inter, trans, PoC oder als Dragqueens. Die alle das Bild des SchwuZ bestimmen und dort eine Rolle spielen, als Beitrag zur Sichtbarkeit ihrer jeweiligen sexuellen Orientierung und Lebensweise. Um damit zum Ausdruck zu bringen, im SchwuZ über eine Heimat zu verfügen und dort eine bedeutende Rolle zu spielen.
Wie beispielsweise Bambi Mercury, als Dragqueen und Teilnehmerin der bereits im Vorgriff auf sie vielfach geschmähten Drag-Show auf Pro Sieben. Die bereits bei Ausstrahlung der ersten Folge mit ihrem Auftritt mit Regenbogen- und Trans-Fahne einen starken politischen Akzent gesetzt hat. Wobei zu beobachtet war, dass es Olivia Jones, als Dragqueen und Angehörigen der Jury auf selbstverständlich Weise – nicht nur durch ihre körperliche Präsenz – gelungen ist – alle anderen neben sich – Heidi Klum, Bill Kaulitz und Conchita – blass aussehen zu lassen. Insoweit erwähnenswert, als die drei Berliner Bewerber*innen um den Titel der Queen of Drags das SchwuZ als Ort der Begegnung nutzen. Weil es eine wichigte Funktion für sie erfüllt, wenn es sich darum handelt, nicht nur Aufsehen zu erregen, sondern eine wichtige Rolle zu spielen. Wie alle, die sich dort zu Hause fühlen dürfen. Egal ob als schwuler Jeans-Boy, butche Lesbe, oder in die Jahre gekommene Tunte, wie ich.
Die Wirkung und Funktion des SchwuZ besteht darin, allen das Gefühl zu vermitteln, willkommen zu sein, als Teil einer Gemeinschaft, die ganz bewusst das SchwuZ dafür nutzt, um damit nicht nur zur Sichtbarkeit ihrer jeweiligen Lebensweise beizutragen, sondern aus der anonymen Masse Tanzender herauszuragen, um eigene Akzente zu setzen. Und damit andere, wie mich, für sich einzunehmen. Obwohl es für mich nicht selbstverständlich ist, die innere Barriere dagegen zu überwinden, selber in die gelungene Mischung aus Musik und überwältigender Lichtregie einzutauchen, die die Szene bestimmen. Um alle damit in den Bann zu ziehen, für die es sich darum dreht, jeden einzelnen Moment davon zu genießen, unterm Eindruck einer in jeder Faser des eigenen Körpers nachvollziehbarer und den Kopf frei machender Vibration der Musik.
Mit dem Ergebnis, mich schließlich früher als andere, nach vier Uhr Morgens, zu verabschieden. Um auf meinem Weg durch das nächtliche Berlin den Eindruck zu gewinnen, dass diese Stadt offenbar nie schläft. Um anschließend müde ins Bett zu sinken und gegen Mittag mit klarem Kopf zu erwachen, als Ergebnis des nicht vollständigen Verzichts auf Alkohol, aber Drogen. In deren Fall davon auszugehen ist, auch im SchwuZ eine Rolle zu spielen, ohne die Szene dort sichtbar zu bestimmen, weil mir niemand begegnet ist, der aus dem Rahmen fiel.
Was für das SchwuZ als stark frequentierte Location des queeren Nachtlebens Berlins eine besondere Leistung ist. Vielleicht als Ergebnis jener besonderen Mischung, wie sie auch in dieser Nacht gegen zwei Uhr Morgens dort zu erleben war. Im Rahmen des Auftritts der Venus Boys und ihres Tribut an Freddie Mercury. Um unterschiedslos alle in den Bann zu ziehen und für sich einzunehmen. In einer Nacht, die manchem dort dazu dient, sich restlos in ihr zu verausgaben.
Während ich mich nach dem Frühstück gegen Mittag bereits wieder fit fühle. Als erstaunliches Ergebnis jener Mischung aus Tanz und Bewegung, in die ich einbezogen war. Unterm Eindruck, es im SchwuZ mit meinem ganz persönlichen Jungbrunnen zu tun zu haben. In der Absicht, im Rahmen meiner Ehrenmitgliedschaft des SchwuZ auf Lebenszeit, als Tunte Daisy, nicht nochmal ein halbes Jahr verstreichen zu lassen, sondern mich weit früher bereits wieder dort blicken zu lassen. Ob als Paradiesvogel, wie viele andere, mit denen ich dort konfrontiert bin, bleibt abzuwarten. Die Lust am Vergnügen daran besteht uneingeschränkt fort.