Alles, was wir in knapp einer Stunde (52:16 Minuten) erfahren, ist nicht neu, sondern altbekannt und konnten wir so, qua Rekapitulation, bereits im 2010 erschienenen Band „Der heilige Schein“ nachlesen und in der Rezeption des Buches David Bergers erfahren. Alle Stationen eines Lebens durchmessend, das Bergers Selbstbeschreibung nach, dem eines nicht sonderlich intelligenten und begabten Kindes entspricht, zu dem er sich rückblickend erklärt, das sich früh in den Riten und in der altertümlichen Verehrung der Heiligen und dem Duft von Weihrauch verloren hat, als Gegenwelt zur eigenen, nicht zufriedenstellenden Lebenswirklichkeit. Vor dem Hintergrund eines damals bereits überholten lateinischen Messerituals, in das David sich – auf der Suche nach Halt und Orientierung – verliebt, wie andere in die Helden Karl Mays, Winnetou und Old Shatterhand.
Als Kind von Achtundsechzigern und ihrer „Welt der Kriegsdienstverweigerer“, verliert sich der Knabe in der tiefschwarzen, religiös gefärbten Gegenwirklichkeit der Choräle und gregorianischen Gesänge, samt urzeitlich anmutender, altertümelnder Riten des Katholizismus, die bereits von Johannes XXIII abgeschafft worden waren. Und das vor der Kulisse und dem Hintergrund des heimatlichen, barock geprägten Würzburg, wo er aufgewachsen ist.
Was mit Berlin, als gegenwärtigem Lebensmittelpunkt kollidiert, als der „Stadt des Satanismus und Protestantismus“, wie er sie beschreibt, die ihm immerhin ermöglicht, sonntags in das Ritual der lateinischen Messe einzutauchen. Offenbar immer noch auf dem schmalen Grat zwischen Pubertät und Beichte angesiedelt und darin befangen. Einer, dessen Selbstbeschreibung den Eindruck vermittelt, sich dieses Stadium das Vor-Bewusstseins trotz wechselhafter Erfahrungen des Lebens bewahrt zu haben, weil er erhebliche Schwierigkeiten damit hat, sich davon zu verabschieden.
Trotz zeitweiliger Mutation des Erzkatholiken zum lautstarken Ankläger der Tradition und Institution der Katholischen Kirche, samt inzwischen von ihm vollzogener Volte und Kehrtwende – zurück zu seinen Ursprüngen, als einem ganz persönlichen Roll Back. Vor dem Hintergrund des mit seiner Buchveröffentlichung vollzogenen schwulen Outings in der Rolle des sich zu sich selbst bekennenden Schwulen, als einem Akt der Emanzipation vom erzkonservativen Katholizismus a la Gloria Fürstin von Thurn und Taxis, die sich die Abdankung des Papsts Franziskus, wegen seiner vermeintlichen Weltzugewandtheit, auf die Fahne geschrieben hat. Wovon Berger sich nur kurzzeitig emanzipiert hat. Mit der Folge des Entzugs der kirchlichen Lehrerlaubnis durch den Kölner Erzbischof und Kardinal Meißner, dem er – dank tief verletzter Seele – trotzig das Gespräch verweigert hat.
Um zwischenzeitlich die Funktion des Chefredakteurs eines schwulen Männer-Magazins auszuüben, als absoluter Fehlbesetzung auf diesem Gebiet, um damit dem Interesse des Verlegers Bruno Gmünder zu dienen, mit der Prominenz Bergers seinem dem Untergang geweihten publizistischen Flaggschiff neue Leser zu erschließen. Was gründlich daneben ging. Trotz Bergers Rolle des beliebten Gastes in Talkshows bundesdeutscher TV-Medien. Um sich im Rückblick darauf zu ihrem Opfer zu stilisieren. Dank ihn bedrängenden Talkmasters, der ihn dazu ermutigt haben soll, in Rosa von Praunheims viel zu großen Fußstapfen zu treten und den damals amtierenden Papst Benedikt als schwul zu outen. Der mit den roten Tanzschuhen, wenn sich noch wer an ihn erinnert.
Berger erinnert sich noch an viele schlaflos verbrachten Nächte, ehe er sich zur Abbitte entschlossen hat und seitdem wieder ruhig schlafen kann, angesichts eines von ihm an Benedikt vollzogenen Outings, ohne über andere entsprechende Belege zu verfügen, als den bloßen Augenschein. Heute bezieht er sich darauf, um einige Ecken herum erfahren haben zu wollen, das Benedikt seine nachträgliche Entschuldigung wohlwollend zur Kenntnis genommen haben soll.
Nichts genaues weiß man nicht. Wie überhaupt manches, womit Berger sich abgibt, auf Unterstellungen und Mutmaßungen basiert. Beispielsweise wenn er sich mit Pediga und AfD einig weiß, dass die unterstellte Misere Deutschlands und sein drohender Untergang in Merkels Migrationspolitik begründet ist.
Die Crux des bereits Ende November 2018 aufgezeichneten und Mitte Januar 2019 auf WDR 5 ausgetrahlten Tischgesprächs besteht darin, Altbekanntes wiederzukäuen, weil seine Person keine wirklich neue Perspektive und Entwicklungsmöglichkeit bot, um vorwiegend zu rekapitulieren, was ohnedies bereits bekannt und im Umlauf ist – für ihn aber über ein hohes Maß an Wert und Wichtigkeit verfügt, die immer gleichzeitig die Gefahr und Möglichkeit des Irrtums in sich birgt, wie auf seiner Wikipediaseite vielfach nachvollziehbar. Ungeachtet der zum Ausdruck gebrachten Kritik an seiner Person, insbesondere seitens der queeren Community.
Womit sein Gesprächspartner zurückhaltend den Vorwurf der „Islamophobie“ berührt. Vor dem Hintergrund des Verlusts der stellung als Chefredakteur und dem inzwischen von ihm ins Leben gerufenen Blog „Philosophia perennis“. Um nicht ohne Stolz darauf aufmerksam zu machen, schon nach wenigen Wochen über millionenfache Klicks verfügt zu haben. Um sich schließlich nicht ohne unverhohlen zur Schau getragene Befriedigung zum ihm von der Community verliehen Titel eines Mr. Homophibia zu bekennen, um lustvoll zu betonen, qua persönlichem Aufruf dazu, unmittelbar selber dazu beigetragen zu haben, heute in der Lage zu sein, sich diesen als Ehrentitel, gleich einem Orden ans Revers zu heften.
Als vorläufiges Ergebnis eines Lebens, dessen Entwicklung er als immerwährenden Fluss beschreibt, der im unablässigen, nicht abreißenden Wandel begriffen ist, was ihm dazu verhilft, sich selbst zu spüren, wie es ihm von seinem Gesprächspartner behutsam in den Mund gelegt wird. Um den Eindruck der ihn dominierenden Selbstverliebtheit zu vermitteln, angesichts der es ihn herzlich wenig bekümmert, der Medienöffentlichkeit beispielsweise fakenews zu unterstellen, wie er sie selbst betreibt, zur Untermauerung der Theorie, dass die Migranten für alles verantwortlich sind, was ihm nicht passt. Um eine klassische Sündenbockfunktion zu erfüllen. Gipfelnd im vom ihm propagierten Vorwurf der Vergewaltigung einer behinderten deutschen Frau durch Migranten und ihres Angriffs auf Bundeswehrsoldaten. Ebenso wenig haltbar, wie der groteske Vorwurf des Angriffs von ihnen auf einen deutschen Hund – mit Silvesterböllern.
Deutlich wird, dass Berger sich in der Rolle des Zerrissenen eingerichtet hat, als dem Selbstbekenntnis dessen, der damit kokettiert, es in ihm möglicherweise mit einem Fall für den Psychiater zu tun zu haben. Im Rahmen seines nicht abreißenden Kampfs gegen den von ihm bekämpften linsksgrün, laut Meuthen (AfD) versifften Mainstream. Um sich zum selbsternannten „Himmelskind“ zu stilisieren – angesiedelt zwischen Thomas Manns „Felix Krull“ und Thomas von Aquin.
Was die an ihm nachvollziehbare Mutation vom CDU-Mitglied zum Kritiker Merkels und ihrer Migrationspolitik und zum Anhänger der AfD nur unzureichend beschreibt. Wobei die damit verbundene Beschönigungsabsicht unwidersprochen im Raum stehen bleibt. Unterm Eindruck, sich nicht in atemberaubenden Sprüngen, sondern kontinuierlich in diese Richtung entwickelt zu haben. In Erinnerung an seine Teilnahme am Protest von „Enough is Enough“ vor der russischen Botschaft Unter den Linden gegen die Repression der russischen Regierung gegen die queere Community des Landes, in Berlin vor einigen Jahren. Als noch nicht absehbar war, dies eines Tages vom Wahlkampfeinsatz für die Partei der Höckes, Gaulands und Meuthens abgelöst zu erfahren – Arm in Arm mit deren Vorsitzenden Alice Weide.
Was im Rahmen wortreicher Selbsterklärungsersuchen des katholischen Dissidenten abgehakt und von seinem Gesprächspartner kaum zur Kenntnis genommen, sondern allenfalls flüchtig gestreift wird, zur Beschönigung einer Existenz, deren Quintessenz darin besteht, anderen den Eindruck der Zerrissenheit zu vermitteln, der man zubilligen muss, dass es einen, ob seiner Besorgnis um Deutschland, schier zerreißt. Im Rahmen der von ihm verkörperten Mission dessen, der meint über die einzig richtige und plausible Wahrheit zu verfügen. Im Lichte des durch ihn verkörperten erzkonservativen Katholizismus, der zwar der Institution Kirche den Rücken kehrte, nicht aber seinem unverbrüchlichen, jeder Erkenntnis entbehrenden Glauben. Ihm ebenso verpflichtet, wie der infantilen Lust am Tabubruch des für die Medien interessanten katholischen Dissidenten. Dessen immerwährendes, nicht abreißendes Ringen um Aufmerksamkeit für seine Person, mich an einen Filmtitel Rainer Werner Fassbinders erinnert: „Ich will doch nur, dass ihr mich liebt!“ Und das um jeden Preis.