„Zeithain“ ist ein Roman, dessen Autor es mithilfe seiner Phantasie, Recherchen und poetischen Sprachkraft gelingt, den Zeitraum Dreier Jahrhunderte zu überbrücken und sie nicht nur bruchlos miteinander zu verbinden, sondern überaus anschaulich zu gestalten.Angesiedelt zwischen dem 18. Jahrhundert Friedrichs des Großen und unserer Gegenwart. Mit Fritz, als preußischem Thronfolger als Protagonisten und Opfer autoritär geprägter, despotischer gesellschaftlicher Strukturen. Verkörpert in Gestalt des Vaters Friedrich Wilhelms, König in Preußen, auch bekannt als Soldatenkönig. Der seine Aufmerksamkeit weniger seinem Land, noch seiner Familie, als der Garde seiner sogenannten Langen Kerls widmet, mit denen er sich umgibt. Und denen er mit größtem Entgegenkommen begegnet. Im krassen Gegensatz zum Umgang mit Fritz, als dem eigenen Sohn und Thronfolger, der davon ausgehen muss, dass der Vater alles an ihm ablehnt und bekämpft, was er ahnungsvoll in sich selbst verkörpert sieht, aber nicht zur Kenntnis nehmen will, um dem im Fall des Sohnes mit denkbar größter Verachtung zu begegnen. Wohl aus Furcht davor, sich selbst damit konfrontiert zu erfahren, als extremster Form des berüchtigten schwulen Selbsthass.
Was wohl mit dafür verantwortlich ist, auf alle Anhaltspunkte dafür, mit wacher Besorgnis zu reagieren. Insbesondere dann, wenn sie sich im Verhalten des eigenen Sohnes widerspiegeln. Was den Vater veranlasst, mit kaum verhohlener Kritik darauf zu reagieren und seinen Sohn damit zu überziehen. Dank nachvollziehbar effeminierten Lebensstils des Kronprinzen, der allem widerspricht, was für Preußens Gloria und Tschingderassabum charakteristisch ist. Solange er sich gefällt, die ihm zur Last zu legende Feminität zu pflegen, sowie Vorliebe für Kunst, Dichtung, Philosophie und Musik, einschließlich der für das von ihm praktizierte Flötenspiel, hat er vom Vater keine Nachsicht zu erwarten. Dessen Interesse sich in einem militärisch geprägten Lebensstil erschöpft. Zur Kompensation der eigenen und Preußens politischen und wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit in jener Zeit, als kleinem Licht, gemessen am Gewicht des Konzerts der damals tonangebenden Mächte in Europa: Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland und Großbritannien.
Gegenüber denen Preußens Bedeutung dem eines Flickenteppichs auf der europäischen Landkarte entspricht. Mit der an Armut kaum zu überbietenden Mark Brandenburg, als Kernland und Streusandbüchse deutscher Nation. Sowie der Provinz Ostpreußen im Osten und einigen rheinischen Ländereien im Westen. Erst Friedrich II. gelingt es nach dem Tod des Vaters, als Nachfolger von ihm, im Verlauf seiner 40jährigen Regentschaft, seinen Herrschaftsbereich auszudehnen und Preußen zu dem zu machen, was wir traditionellerweise in ihm verkörpert erfahren, als bedeutender Großmacht im Herzen Europas. Um damit erst die Voraussetzungen zur 1871 in Versailles vollzogenen Gründung des Deutschen Reiches zu schaffen, als dem Auftakt zu seinem Aufstieg und nicht aufzuhaltenden Niedergang unter nationalsozialistischer Herrschaft während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Mithilfe des gegen Östereich-Ungarn angezettelten siebenjährigen Krieges ist es Fritz gelungen, den Habsburgern Schlesien abzuluchsen und es zu seinem preußischen Stammland zu machen, Um damit seinen Herrschaftsbereich zu sichern und dem Geschlecht der Hohenzollern zu Glanz zu verhelfen, das in der Gestalt Wilhelms II. ihren absoluten Tiefpunkt finden sollte und ein jähes Ende. Das Schicksal der Monarchie in Deutschland besiegelnd. Um in der 1918 vollzogenen Ausrufung der Republik zu gipfeln.
Ehe es Friedrich II. , genannt der Große, gelungen ist, den Grundstein dafür zu legen, und den Umschwung in Preußen einzuleiten, muss er noch die harte Schule des preußischen Militarismus durchlaufen und die seinem Vater zu verdankende Disziplin. Als Voraussetzung zur Etablierung Preußens als Ordnungsmacht in Deutschland und im Herzen Europas. Anhand Michael Roes‘ Roman „Zeithain“ dürfen wir aber davon ausgehen, es in Fritz im damaligen Alter von 17 Jahren mit einem Zerrissenen zu tun zu haben. Was ihn ein Leben lang begleiten wird. Als Feldherr, mit seiner Vorliebe für eine künstlerisch und intellektuell motivierte Orientierung, die er mit seinem Jugendfreund, Gefährten und Hans Herrmann von Katte teilt. Den er um vierzig Jahre überleben soll, um ihn spürbar zu vermissen.
Weil es Katte ist, der ihm – zerrissen zwischen der militaristisch geprägten Residenz in Wusterhausen, dem Hof in Potsdam und Berlins Adelsgesellschaft – die Richtung weist. Als der um einige Jahre älteren von beiden und Erfahreneren. Der sich Fritz als Stütze anbietet, wenn es sich darum handelt, sich hinterm Rücken des Königs, also ohne dessen Wissen, in Nacht und Nebel zu Pferd auf den Weg nach Leipzig zu machen. Und zwar in der Absicht der Teilnahme an einer in der dortigen Thomaskirche zu erwartenden Aufführung einer der Bach’schen Passionen. Ohne dass Fritz‘ Vater was davon weiß, den es fast umbringt, was darüber zu erfahren. Weil er nichts davon wissen will, dass sich Fritz mit solchem überflüssigen und absolut entbehrlichen Firlefanz abgibt. Dem jener sich mit Vorliebe widmet. Nicht sehr geschickt, in der Absicht, seinen Vater hinters Licht zu führen. Der jedoch über ein Heer von Spitzeln verfügt, die ihm zu Diensten sind, und denen es gelingt, den Sohn als Besitzer einer umfangreichen Bibliothek von mehren tausend Bänden zu entlarven. Deren Anschaffungskosten sich auf nahezu 15.000 Taler belaufen, die Fritz seinen Gläubigern schuldet. Welche die Rechnung dafür dem Vater präsentieren. Weil davon auszugehen ist, dass Fritz zu dessen Lebzeiten kaum in der Lage sein wird, sie zu begleichen. Weil ihn der Vater in jeder erdenklichen, also auch finanziellen Hinsicht knapp hält, um seinen Sohn daran zu hindern, über die Stränge zu schlagen.
Dem bleibt also nicht erspart, dass der Vater genauso darauf reagiert, wie es zu erwarten ist. Um nicht nur seine Kritik an der Fritz‘ zur Last zu legenden Verschwendungssucht zum Ausdruck zu bringen, sondern sich als Vorläufer des Nationalsozialismus zu entpuppen. In dem Sinne, als er die Bibliothek des Sohnes zum Anlass nimmt, sie dem Feuer zu übergeben. Weil die Reaktion des Königs vor allem seiner ins extreme gesteigerten Erziehungsabsich dient, also dem Ziel, sich seinen Sohn in allen Facetten seiner körperlichen und geistigen Existenz vollständig und bedingungslos untertan zu machen. Was sich der 17 jährige als Kronprinz widerstandslos gefallen lassen muss, als Gefangener am Hof des Vaters. Der sich darauf versteht, sich Mitteln und Möglichkeiten zu bedienen, wie sie später für die sprichwörtliche Stasi der DDR charakteristisch sind. Um damit zur Wahrung und Aufrechterhaltung der Staatsräson und preußischen Tradition beizutragen. Und ihre Bürger auf Schritt und Tritt zu überwachen. Was auch Friedrich Wilhelm dazu dient, dem Sohn den Eindruck zu vermitteln, sich außerstande zu sehen, was dagegen auszurichten. Weil der Vater nicht davor zurückschreckt, selbst den Schlaf des Sohnes zu überwachen. Um zu vermeiden, dass Fritz‘ Hände sich unter die Schlafdecke verirren, um sich des verwerflichen Delikts der Selbstbefriedigung schuldig zu machen.
Fritz hat keine andere Wahl, als sein Schlafgemach nicht nur mit seinem persönlichen Leibdiener zu teilen, sondern auch dem Grafen Finckenstein, Feldmarschall der preußischen Armee. Ehe es dann doch soweit ist, sich der Freundschaft mit Hans Herrmann von Katte zu bedienen, um dagegen aufzubegehren, und Schlafgemach und Lager mit ihm zu teilen. Was am preußischen Hof zu Potsdam nicht unbemerkt bleibt. Unter Schürung des Verdachts der Vorbereitung des gemeinschaftlich geplanten und vollzogenen Delikts des Hochverrats.
Hinzu kommt, dass Fritz es sich gefallen lassen muss, dass sein Vater einen Fauxpas des Sohnes zum Anlass nimmt, ihn vor versammeltem preußischen und sächsischen Adel fast totzuprügeln. Weil Friedrich Wilhelm seinen Zorn kaum zu Zügeln in der Lage ist. Um auch damit den Grundstein für Fritz Fluchtabsicht zu legen, also die Idee, sich dem Zugriff des Vaters durch Flucht zu entziehen. Worin das eigentliche, ihm und Katte zur Last zu legende Verbrechen besteht. In der Absicht, sich dem langem Arm des preußischen Despoten zu entziehen. Um sich entweder des französischen Hofs zu Versailles, oder aber demjenigen von St. James in London als Exils zu bedienen.
In seinem Kern besteht Fritz Ziel jedoch nicht in der Absicht, sich mit einer der europäischen Großmächte gegen den Vater zu verbünden, sondern darin, der nicht abreißenden, ihn terrorisierenden Reglementierungsabsicht des Vaters einen Riegel vorzuschieben. Während das Katte vorzuwerfende Delikt darin gipfelt, sich als Angehöriger des Brandenburgischen Landadels und der Truppe preußischer Gendarmen nicht nur mit dem Thronfolger zu verbünden, sondern des Verrats an seinem König schuldig zu machen.
Solange das Urteil über ihn nicht gesprochen ist, kann er sich noch frei in Berlin bewegen – zwischen seiner, dem heutigen Berliner Gendarmenmarkt benachbarten Wohnung ( der damals den preußischen Gendarmen als Exerzierfeld dient) und den Residenzen in Potsdam und Wusterhausen, sowie dem an der Spree gelegenen Lustschloss Montbijou der Königin. Das dem König wegen seiner Verschwendungssucht und prächtigen Ausstattung ein Dorn im Auge ist. Was sich aber auch auf die Absicht der Königin bezieht, nicht nur Berlins Adelsgesellschaft um sich zu versammeln, sondern eigene Pläne voranzutreiben. Mit dem Ziel einer preußisch/englischen Doppelhochzeit, um ihre Tochter, Fritz Schwester Wilhelmine mit dem englischen Thronfolger zu vermählen, und Fritz selbst mit dessen Schwester und Cousine. Deren Vater, Georg I, – aus dem Hause Hannover und Geschlecht der Welfen – per Wahl auf den englischen Thron gelangt ist. Doch stimmen der Königin Aktivitäten nicht mit den Absichten des Monarchen überein, der eigene dynastische Pläne verfolgt. Zur Verbesserung der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Lage Preußens. Im Hinblick auf die es erst Fritz gelingen sollte, in der Nachfolge des Vaters, Abhilfe zu schaffen. Dank erheblichen Zugewinns im Hinblick auf seinen künftigen Herrschaftsbereich. Um in Verbindung damit zur Besiegelung der für Preußen damals charakteristischen Armut und Leibeigenschaft seiner überwiegend ländlichen Bevölkerung beizutragen.
Ehe es soweit ist, ist Berlin weit davon entfernt, mit London und Paris in Konkurrenz zu treten. Weil die preußische Hauptstadt damals nicht über eine auch nur annähernd vergleichbare Strahlkraft verfügt. Um den anderen europäischen Metropolen Paroli zu bieten und den eigenen Führungsanspruch zu unterstreichen. Worin selbst das sächsische Dresden Berlin damals überlegen ist. Mit Friedrich dem Starken als König von Sachsen an der Spitze. Als dem gleichzeitigem König von Polen und Fürsten von Litauen. Dem die machtvolle Demonstration seiner militärischen Macht im Rahmen eines in Zeithain an der Elbe anberaumten Manövers dazu dient, Preußens Monarchen davor erblassen zu lassen.
Als Roman entspricht Michaels Roes‘ Werk „Zeithain“ nicht einem historisierenden Gemälde Preußens, sondern einer subtilen Abrechnung damit, vor dem Hintergrund des Seelenzustands und der Gemütsverfassung des damaligen preußischen Kronprinzen und seines Gefährten Hans Herrmann von Katte. Mit dem für ihn niederschmetternden Ergebnis, dass es im heutigen Berlin, wie wir es kennen, nichts gibt, was an ihn erinnert. Keine Straße, keine Parkanlage, nicht mal der geringste Zipfel und Ausläufer davon ist nach ihm benannt. Im Unterschied zu zahlreichen anderen, Katte damals verbundenen Angehörigen des Preußischen Adels in Gestalt der Finckensteins, Keiths, Holtzendorffs und Kleists u.v.am..
Als Spielball der Laune Friedrich Wilhelms ist Katte eher zufällig, als in dieser Absicht in die damaligen preußischen Querelen verstrickt. Innerlich zerrissen zwischen dem Anspruch dem König den Treueid zu wahren und dem Kronprinzen zu dienen, dem er mehr als bloß freundschaftlich verbunden ist, und das nicht ausschließlich dank der ihnen gemeinsamen Vorliebe für das Flötenspiel. Vielleicht weil Hans für Fritz auch insoweit, als Freund, Kamerad und Lover und faszinierende Persönlichkeit, Vorbild ist, weil er als der ältere von beiden über den Vorzug einer von ihm vollendeten Kavaliersreise verfügt, wie sie damals für Angehörige der gehobenen Klassen, in Abgrenzung von den niederen Schichten, charakteristisch ist. Um damit zur Erweiterung ihres Lebenshorizonts, Bildungsgrads und Erfahrungsschatzes beizutragen.
Im Unterschied zu Fritz hat Hans durch persönlichen Augenschein eine Ahnung von den Verhältnissen in Versailles und London. Was er der Korrespondenz und dem persönlichen Kontakt mit der Tante, Melusine von der Schulenburg verdankt. Schwester Werner von der Schulenburgs, dem damaligen, die Flotte der mächtigen Handelsmacht der Republik Venedig befehlenden Feldmarschalls. Die sich am Hof von St. James auch insoweit bestens auskennt, als sie dem englischen König in ihrer Eigenschaft als Herzogin von Kendal als persönliche Mätresse dient.
Hans ist nicht nur in der Lage, von seiner der Tante zu verdankenden Einladungen an den englischen Königshof in London zu zehren, sondern auch davon, sich mittels nächtlicher Exkursionen in den Docks an der Themse neue Horizonte zu erschließen. Als Ergebnis ebenso intensiver wie flüchtiger Begegnungen, beispielsweise mit einem jungen wilden siebzehnjährigen Matrosen, der bereit ist, Hans Nachtlager zu teilen. Und ihm darüber hinaus zu jener Tätowierung einer schwarzen Katze auf dem Oberarm zu verhelfen, als dem Wappentier der Kattes. Die Erfahrung, dass Kattes junger englischer Bettgefährte bereits unmittelbar am Morgen nach der gemeinsam verbrachten Nacht wieder die Biege macht, entspricht einer Erfahrung, die Katte mit vielen teilt. Beispielsweise auch mit dem dreihundert Jahre jüngeren Nachfahren von ihm, dem wir anlässlich einer nächtlichen Exkursion durch Berlins Tiergarten der Jetztzeit begegnen.
Als nicht weniger spektakulär entpuppt sich Kattes Londoner Begegnung mit dem Komponisten Georg Friedrich Händel aus Halle an der Saale. Der Kattes Anwesenheit im Salon der Tante Melusine zum Anlass nimmt, den jungen märkischen Adeligen zum Tee einzuladen. Dem Katte auch bereitwillig entspricht. Mit dem Ergebnis, dass schon der geringste körperliche Kontakt miteinander nicht der Komik entbehrt. Weil es Händel schier zerreisst, sodass er Katte ohnmächtig an die Brust und in die Arme sinkt. Um seitdem dessen Erinnerung daran zu dienen, sich anschließend gefallen zu haben, auf weitere Kontakte zu verzichten und einander, peinlich berührt, lieber links liegen zu lassen.
Nach Rückkehr Kattes nach Berlin endet die damit verbundene Erfahrung des Aufenthalts im liberalen London in seiner ihn künftig mit dem preußischen Kronprinzen verbindenden Begegnung mit diesem. Dessen intime Beziehung mit ihm in Potsdam, Wusterhausen und Berlin die Runde macht. Und auch manche Einladung in die Residenz der Königin und ihrer Tochter Wilhelmine nach sich zieht. Hans, nach Fritz‘ Inhaftierung in der Festung Küstrin, abverlangend, dessen Wunsch zu entsprechen, noch im letzten Moment dafür zu sorgen, Fritz Korrespondenz mit Mutter und Schwester davor zu bewahren, dem Vater in die Hände zu fallen. Weshalb es an Hans ist, sie Wilhelmine in einem unauffälligen Moment auszuhändigen. Um dem König die Kenntnis seines für ihn wenig schmeichelhaften Inhalts zu ersparen, also zu vermeiden, jenem in die Hände zu fallen. Als Schlag ins Gesicht des despotischen, cholerischen Monarchen, und absolutem Affront gegen ihn. Vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Tendenz von Fritz, sich an der französischen Idee der Freiheit einer Zivilgesellschaft zu orientieren, deren Absicht es entspricht, dass jeder nach seiner eigenen Fasson selig werden soll.
Fritz Zerrissenheit mach deutlich, dass seine Existenz als preußischer Kronprinz kein Zuckerschlecken ist. Vom eigenen Vater des Delikts des Hochverrats angeklagt, nur dank der Intervention zahlreicher europäischer Höfe davor bewahrt, Hans Schicksal zu teilen, also gleichfalls dem Tod durch das Schwert zum Opfer zu fallen. Was Hans Hermann von Katte vorbehalten bleibt. Die Perfidie und Infamie des Vaters besteht darin, den Sohn zum Zeitpunkt der Hinrichtung des Freundes und Gefährten in der Festung Küstrin unterzubringen, um ihn damit zum unmittelbaren Zeugen des gewaltsamen Todes des Freundes und dessen Hinrichtung durch das Schwert zu machen, das dafür sorgt, Katte einen Kopf kürzer zu machen.
Ein gelegentlich zu vernehmender Hinweis darauf, dass die ersten vierhundert Seiten des Romans entbehrlich sind, weil sich alles Wesentliche auf den zweiten vierhundert, des insgesamt 800 Seiten starken Buches abspielt, nehme ich gerne zum Anlass, dem zu widersprechen. Richtig ist, dass wir es in Michael Roes Meisterwerk nicht mit einem Historienschinken zu tun haben, der dazu dient, unsere Neugier auf Ereignisse des 18. Jahrhunderts zu befriedigen, sondern mit einem poetischen Psychogramm von Ereignissen, die trotz unterschiedlicher Erzählstränge und Zeitebenen auf wunderbare Weise miteinander verwoben sind. Wobei es dem Autor gelingt, diese äußerst geschickt und nahezu übergangslos miteinander zu verknüpfen.
Und zwar im nahezu übergangslosen Wechsel zwischen dem Paris des 18. Jahrhunderts, dem Hof zu St. James in London, sowie der Ausbildung des Kadetten Katte in einer preußischen Erziehungsanstalt. Und seinen Universitätsjahren in Königsberg. Sowie seinem anschließendem Militärdienst als Leutnant der preußischen Gendarmerie. In Verbindung damit erfahren wir uns nahtlos mit Ereignissen der Gegenwart konfrontiert. In Gestalt nächtlicher Exkursionen durch Berlins Tiergarten, dem Aufenthalt im Café Anderes Ufer in der Schöneberger Hauptstraße am Kleistpark, sowie dem Gelände des Alten St. Matthäus Kirchhofs in der Großgörschenstraße, samt eigenen Friedhofscafés und S-Bahn-Anschlusses, als der letzten Ruhestätte zahlreicher Aidstoter, sowie Rio Reisers und der Brüder Grimm.