Peter Kothe – Ein Ostwest-deutsches Leben

Die gleichnamige Ausstellung im Schwulen Museum Berlin (16.07. – 17.10.2016, Kurator: Wolfgang Theis) vermittelt einen eindringlichen und berührenden Eindruck vom schwulen Leben diesseits und jenseits der Berlin teilenden Mauer.

Wobei das  Foto „Klaus und Peter im Luftschloss“ der Fotografin Annette Frick aus dem Jahr 2000, als  Portrait des damals bereits Mitsiebzigers, in bemerkenswertem   Widerspruch steht, zum die Ausstellung bestimmenden überlebensgroßen Portrait des jungen Peter Kothe, als Ganz-Körper-Akt-Nackt-Foto einer von Leben sprühenden, jugendlichen, gut gebauten und gut aussehenden Erscheinung, die sichtbar macht, wovon im Gespräch Peter Kothes mit dem Filmemacher Jochen Hick (Out in Ostberlin) die Rede ist. In dem er sich als freundlichen, gern gesehenen, beliebten und überall willkommenen,  überwiegend optimistisch gestimmten Menschen beschreibt der er auch war, aber nicht allein

Ein erfolgreiches Architekturstudium an der Kunsthochschule Weißensee befähigt, den 1939 geborenen, 1959 Anfang Zwanzigjährigen, dazu, sich nach erfolgreichem Abschluss im Rahmen einer Anstellung beim Fernsehfunk der DDR als Bühnenbildner und – Ausstatter verdient zu machen, für den sich der Mauerbau im August 1961 als logische Folge der Ausplünderung der DDR durch den Westen darstellt.

Eine Zeit, die  vor allem durch das für ihn charakteristische jugendliche Ungestüm und vorwärts drängen bestimmt ist, dessen, der sich im Rückblick auf jene Zeit als bisexuell Liebenden beschreibt, allem gegenüber aufgeschlossen, was für ihn mit Lust und Spaß verbunden ist. Was ihn jedoch (trotz Ehe und Vaterschaft) nicht daran hindert, später zunehmend zur Mann-männlichen Liebe zu tendieren. Schwul war damals noch kein Begriff, außer in Homosexuelle diskriminierender Absicht. Was sich im Westen erst ab  den 1970iger Jahre anders entwickelt und dann auch im Osten der Stadt durchgesetzt hat. Innerhalb der begrenzten und überschaubaren Szene Ostberlins,  die in einem eigentümlichen Bezug steht zu ihrem im Westen der Stadt angesiedelten Pendant, das  im Rückblick darauf ebenfalls den Eindruck eines überschaubaren Biotops vermittelt und nicht den eines weltstädtischen Charakters.

Peter Kothes Revier erstreckte sich über die Bereiche Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Mitte; auf der Ebene aller mit einem Künstlerleben drüben verbundenen Privilegien. Gekrönt von Exkursionen nach Prag, Budapest und ans Schwarze Meer, als Gelegenheit dazu durchzuatmen und neue Eindrücke zu sammeln. Später von neuen Sehnsuchtsorten abgelöst: Rom, Paris, Venedig. Zu Erweiterung des nicht ausschließlich künstlerisch konnotierten Horizonts. Was mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden ist, sich mit der Enge der Umgebung der Hauptstadt des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden abzufinden.

Wolf Biermanns Ausbürgerung, Mitte der 1970iger Jahre, beschreibt auch im Leben unseres Protagonisten einen ersten Bruch; der Biermanns Bedeutung für die Republik („Ein Furz“) zwar herunterspielt, aber in der Lage ist, die Unverhältnismäßigkeit der Reaktion des Staatsapparats der DDR auf ihn nachzuvollziehen. Was Peter Kothe selber zunehmend Schwierigkeiten bereitet, der spätestens ab seinem eigenen, Ende der siebziger Jahre zum Ausdruck gebrachten (Aus)Reisewunsch ins Visier der Stasi gerät. Die knappe Ablehnung dieses Ersuchens durch den Magistrat der Stadt folgt auf dem Fuß. Was den Betroffenen in Bedrängnis bringt. Angefangen mit der Entlassung aus dem Dienst des Fernsehfunks der DDR und gipfelnd in einem praktisch wirksamen Arbeitsverbot. Das Peter Kothe allenfalls ermöglicht illegal an DDR-Provinzbühnen zu arbeiten. Indem er seine Arbeiten unter dem Namen von Freunden einreicht, die anschließend das Honorar dafür an ihn weiterreichen. Während die Verwirklichung der Sehnsucht nach der nicht nur künstlerisch motivierten Erweiterung seines Horizonts weiter auf sich warten lässt.

Bis es 1984, im Rahmen des vom Anwalt Vogel betriebenen Ost-West-Austausch-Programms auch im Fall Peter Kothes soweit ist, dass seine Ausreise erfolgen kann (vermutlich gegen die in einem solchen Fall übliche Zahlung von 40 000 DM). Angesichts dessen sich das Stasi-Angebot  zur Übernahme der bühnenbildnerischen Leitung des Friedrich-Stadt-Palastes, als Lockangebot entpuppt, um ihn damit bei der Stange zu halten, erübrigt.

Im Rückblick auf ein Leben, das so sehr in seiner Umgebung verwurzelt ist, fällt es uns schwer, uns Peter Kothe als Dissidenten vorzustellen. Der nicht als solcher geboren war, sondern dafür, sein Leben zu genießen und das beste daraus zu machen. Die Umstände, und nicht zuletzt auch seine homosexuelle Orientierung haben dies jedoch verhindert. Weshalb er sich im Rückblick auf sein Leben Gesprächsweise  auch als Opportunisten charakterisiert. Keinen  Hehl daraus machend, dass mit seinem Wechsel in den Westen, nicht alle Träume in Erfüllung gingen. Was auch in seiner Kritik an kapitalistischer Ausbeutung, Entfremdung und Konkurrenzdenken anklingt. Zumal  die Karriere mit dem Wechsel in den Westen mit einem spürbaren Knick verbunden war. Weil ihm nur eine Stelle als Bühnenbildner an den Städtischen Bühnen Bielefeld zur Verfügung steht. Unter Bedingungen, die ihn mit der Anforderung konfrontieren, unter kapitalistischen Arbeitsbedingungen zu funktionieren, was nur im Verzicht auf mehr Zeit für sich selbst zu verwirklichen ist, und dem auf ausgedehnte Reisen. Nur einmal für längere Zeit in Singapur, weil sein Bruder, der vor ihm bereits ausgereist ist, dort einen Job und eine Wohnung hat, in der er für einige Zeit  Unterschlupf findet.

Erst der Mauerfall im November 1989 bringt für ihn eine Wende. Weil die Nachricht ihn zur spontanen Rückkehr nach Berlin veranlasst. Weshalb er in Bielefeld seine Koffer packt. Nicht erst ab diesem Zeitpunkt sind  in seinem Leben Risse und Brüche spürbar. Die im Hinblick auf die ihm ab 1989 bewusste HIV-Infektion jedoch besonders krass in Erscheinung treten. Durch ihre zurückhaltende Berichterstattung und Diskussion  dieses Themas im öffentlichen Leben der DDR hat diese ihre Bürger nur unzureichend auf den Umgang damit vorbereitet. Nachvollziehbar am Beispiel eines Aufenthalts auf einer Klappe im Friedrichshain und dem Hinweis darauf, es in einem ihrer Besucher mit einem solchen aus dem Westen zu tun zu haben, um den die Schwestern drüben einen großen Bogen machen, als potenziellem Träger des lebensgefährlichen Virus, von dem ab diesem Zeitpunkt vermehrt die Rede war.Ohne Bewusstsein von der Gefahr der eigenen Betroffenheit.

Nachvollziehbar auch anhand  Peter Kothes Hinweis auf den von ihm selbst an  den Tag gelegten leichtsinnigen Umgang damit. In einer Zeit, in der im Westen längst bereits der Gedanke an die Notwendigkeit zum Verzicht auf alle ungeschützten sexuellen Kontakte die Runde mach. Was nicht heißt, dass alle  sich auch immer daran gehalten haben. Rosa von Praunheim, dessen Film „Einstein des Sex“ Peter Kothe ausstattungsmäßig betreut hat,  kann Auskunft geben, über Angriffe, denen er ab dem Zeitpunkt seines im Spiegel veröffentlichten Aufrufs zum Safer-Sex ausgesetzt war.

Auffällig an Peter Kothes Einstellung zu seiner HIV-Infektion ist, dass er Wert darauf legt, zu betonen, die Krise allein und ohne Unterstützung durch die Berliner Aidshilfe oder andere Selbsthilfegruppen gemeistert zu haben. Nicht ganz frei von der auch für andere als ihn damals charakteristischen Einstellung dazu, seine HIV-Infektion als Ergebnis und Folge des von ihm an den Tag gelegten leichtsinnigen Umgangs zu empfinden. Was nicht für ihn allein bestimmend war. Weil sich auch anderen als er  erst sehr viel später dessen bewusst waren, dass das Virus unabhängig  von gängigen Klischees wie Schuld, Sühne, Buße, Strafe zuschlägt, die in unserer Phantasie vielleicht eine Rolle spielten, nicht aber in Wirklichkeit.

Seinen Tod vor einigen Jahren hat der Endsiebziger jedoch nicht dem Virus zu verdanken, sondern einer Krebserkrankung, von der er auch im Rahmen des Gesprächs mit  Jochen Hick gezeichnet war. Dem wir das berührende Portrait eines schwulen Menschen verdanken, dessen Foto im Minirock, Bustier und Federschmuck sichtbar macht, dass es dem Betrachter schwer fällt, es mit der jugendlich strahlenden Erscheinung des Peter Kothe im Alter von Mitte zwanzig Jahren in Beziehung zu setzen.

Sowohl die Ausstellung des Schwulen Museums, als auch Jochen Hicks filmisches Gesprächsprotokoll macht deutlich, dass wir es im Fall unseres Protagonisten, unabhängig von seinem jeweiligen Alter, mit einem faszinierenden, mal durchschnittlichen, mal enthusiastisch von sich selbst und der Welt eingenommenen Menschen und Zeitgenossen zu tun haben, der alle Facetten und Aspekte  schwulen Lebens sichtbar macht, das wir, beispielhaft für uns alle, in ihm verkörpert erfahren.

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