Queer Refugees Welcome. In Erwartung des europäischen Frühling

Scheitert Merkel, dann dank Siegs krachlederner Politik, wie sie in Bayern zur Zeit überwiegt. Im Streit um die Forderung nach einer Flüchtlingsobergrenze. Weil die bayerische Staatsregierung davon überzeugt ist, die Wahrheit gepachtet zu haben. Während die CSU bloß die Angst um den Verlust von Wählerstimmen umtreibt. Bajuwarischer Populismus und Größenwahn zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte beider Unions-Schwesterparteien. Strauß trumpfte 1980 gegen Helmut Kohl auf und musste sich als Kanzlerkandidat der Union Helmut Schmidt geschlagen geben. Dessen Kanzlerschaft 1982 an Kohls Misstrauensvotum scheiterte. Stoiber ereilte Jahre später dasselbe Schicksal. Mit Schröder als gegnerischem, siegreichen Kanzlerkandidaten. Weshalb es Stoiber wenig genützt hatte, Merkel zum Rapport und Frühstück  nach Wolfratshausen zu zitieren. Und jetzt warten wie im Fall Horst Seehofers  darauf, den Hut in den Ring zu werfen.

Auch Gauweiler, stellvertretender Vorsitzender der CSU, jetzt im Ruhestand, ist inzwischen weg vom Fenster. Der immer gegen alles war: Europa, den Euro, Griechenland und die Schwulen. Obwohl seine Störmanöver zum Scheitern verurteilt waren, hinderte ihn dies nicht daran, sich unangenehm bemerkbar zu machen und jeweils schwere Geschütze in Stellung zu bringen. Beispielsweise im Fall seines Vorschlags, der AIDS-Krise damit zu begegnen, HIV-positive Menschen in eigens für sie zu errichtenden Internierungslagern unterzubringen, um sie damit von der Gesellschaft zu isolieren. Was sich auch seine Partei damals zu eigen machte. Im Gegensatz zur Schwesternpartei der CDU Rita Süßmuths. Die der Idee eines Quarantänelagers für HIV-infizierte Menschen ein Abfuhr erteilte, um sie durch die Politik der Vernunft, Empathie und der Aufklärung zu ersetzen.

Zwei wesentliche Faktoren haben zur Verschärfung der gegenwärtigen Flüchtlings- Bewegung beigetragen. Einmal die mangelnde Unterstützung der Flüchtlingslager in Nahost. Deren menschenunwürdigen Zustände wir lange verdrängten. Und zum anderen die Blindheit gegenüber dem sogenannten islamischen Staat. Dafür erhält Europa jetzt die Quittung. Nicht Merkel und ihre Willkommenskultur hat zur Fluchtbewegung nach Deutschland beigetragen, sondern die Deutschlands Wohlstand und Wirtschaftskraft innewohnende Anziehungskraft auf alle, die darauf angewiesen sind, sich zur Flucht übers Mittelmeer und über die Balkanroute zu entschließen. Unter ihnen finden sich sicherlich viele, denen ein geordnetes Einwanderungsrecht einen solchen Schritt ersparen würde. Alles was wir gegenwärtig unternehmen, erinnert an den vielzitierten Tropfen auf dem heißen Stein und erscheint den Menschen darum als unbefriedigend.

Als Ergebnis des Europa zur Zeit spaltenden Zerwürfnis. Mich an die tief gespaltene Union amerikanischer Staaten im Sezessionskrieg der USA in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts erinnernd. Gipfelnd im Glaubenskrieg und Sieg Lincolns über die Sklavenhaltergesellschaft des amerikanischen Südens. Wovon vor allem Schwarze betroffen waren. Als den Garanten des Reichtums der Baumwollbarone und Plantagenbesitzer der Südens. Die davon überzeugt waren, nur mit deren Ausbeutung als Sklaven in der Lage zu sein, ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status zu bewahren. Davon ausgehend, dass der Schwarze als solcher besser als der Weiße in der Lage ist, das extreme Klima des Südens zu verkraften. Weshalb nur er als Arbeitskraft infrage kam. Vor dem Hintergrund der Entschlossenheit einer weißen Oberschicht und Mehrheitsgesellschaft, nicht an ihren Privilegien rütteln zu lassen. Erst mit dem Sieg des liberalen, industrialisierten und wirtschaftliche überlegenen Nordens war das Schicksal der Sklavenhaltergesellschaft des Südens besiegelt. Und  zwar mit militärischen Mitteln. Weil der Süden damals taub war auf diesem Ohr. Als Auslaufmodell unaufhaltsam auf dem absteigenden Ast, doch nicht bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen. Blind gegenüber aller Vernunft. Erst mit ihrem Sieg war die Grundlage für den späteren wirtschaftlichen und politischen Aufstieg der USA zur Weltmacht gelegt.

Auch die Bundesrepublik Deutschland hat in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen enormen wirtschaftlichen Neuanfang und Aufstieg geschafft. Nach dem Sieg der Truppen der Alliierten über das Nazi-Regime des Militarismus, der Fremdenfeindlichkeit, des Antisemitismus und Rassenhass. Zwölf Millionen Flüchtlinge aus Osteuropa haben auch in erheblichem Maß dazu beigetragen. Deren Integration die junge BRD damals verkraftet hat. Ungeachtet aller spürbaren Widerstände. Nigger- und Flüchtlingsbankert sind mir als herabsetzende Bezeichnungen für davon Betroffene noch in lebhafter Erinnerung. Ebenso wie die als Itaker beschimpften italienischen Gastarbeiter. Genau wie die aus der Türkei später Zugereisten, von Teilen der deutschen Bevölkerung als Kanaken Beschimpften, waren sie alle in ihrer Gesamtheit am wirtschaftlichen Erfolg ihres Gastlands und zweiten Heimat beteiligt.

Die gegenwärtige Bewegung der AfD, Pegida, NPD und anderer konservativen und rechtspopulistischen Kreise erinnert stark an die Zustände in der noch jungen BRD. Einschließlich der jungen Schnösel des sogenannten konservativen Aufbruchs der CSU, die sich den Sturz der Kanzlerin auf ihre Fahnen geschrieben haben. Toleriert von ihrer Parteiführung.  Um damit am rechten Rand zu grasen. Blind dafür, der AfD damit massenhaft Wähler in die Arme zu treiben. Deren Bedeutung und Gewicht um so höher zu veranschlagen ist, als die Wahlbeteiligung weiter sinkt. Wie es in Frankreich beispielhaft der Fall ist.

Diskussionen sind hierzulande oft vom Vorwurf rechtspopulistischer Kreise bestimmt, die unseren Staatsorganen gerne Blindheit auf dem linken Auge bescheinigen. Ohne dabei zu berücksichtigen, dass von ihrer Warte aus, alles links anzusiedeln ist, was in Wahrheit in der Mitte der Gesellschaft zu verorten ist. Unter Aussparung des Hinweises darauf, dass politische Vorbehalte gegen rechte Strömungen tief in unserem kollektiven Gedächtnis verankert sind. In Erinnerung an die Gräuel des Dritten Reichs. Dessen sich Demagogen rechter Couleur gerne als Vorbilds bedienen. Menschen wie Lutz Bachmann etwa, oder Gauland, Höcke, Petry, von Storch, von Beverfoerde, Kuby und Kelle. Die sich im Rahmen ihres fremdenfeindlichen und homophoben Feldzugs gegen die sogenannte Verschwulung und Überfremdung Deutschlands stark machen. Als Bollwerk gegen die von ihnen befürchtete Islamisierung des Abendlandes. Vor dem Hintergrund des sich zwischen schiitischen und sunnitischen Strömungen des Islam zuspitzenden Konflikts im Nahen Osten. Gipfelnd im Terror der ISIS und in der Gegnerschaft Saudi-Arabiens und des Iran. Als Ergebnis ihrer von sinkenden Ölpreisen bedrohten Wirtschaftsmacht. Auch Putins Russland ist darum in seiner Bedeutung bedroht und kompensiert dies mit der Annexion der Krim.

Nicht zuletzt meine gegenwärtige Lektüre einer sprachmächtigen und farbenprächtigen literarischen Trilogie über den amerikanischen Süden in den Jahren des Sezessionskriegs der USA bestimmt zur Zeit meine Stimmung. In Gestalt von Julien Greens Romanzyklus „Von fernen Ländern“ (1987), „Sterne des Südens“ (1989) und „Dixie“ (1995). Einen nachhaltigen Eindruck von der den Sünden der USA im 19. Jahrhundert dominierenden Selbstlüge vermittelnd. Der damals davon ausging, es in der weißen Oberschicht und ihren schwarzen Sklaven mit einer einzigen großen Familie zu tun zu haben. In deren Rahmen es den Weißen vorbehalten war für Ernährung, Unterkunft und Bekleidung ihrer Sklaven zu sorgen. Als unmündigen Kindern, die ohne sie aufgeschmissen waren. Zur Rechtfertigung der gnadenlosen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Vergleichbar der für Europa zur Zeit charakteristischen Einstellung gegenüber Afrika. Mit der Tendenz, sich mittels Entwicklungshilfezahlungen von ihrer Verantwortung für die Misere des afrikanischen Kontinents zu entlasten. In der Regel in dunklen Kanälen versickernd, um die Taschen afrikanischer Potentaten und Machthabern zu füllen. Und das bereits seit vielen Jahrzehnten. Ohne dass eine längst fällige Wende dieser Politik absehbar ist.

Mit seinen mehr als 2000 Seiten vermittelt Julien Greens Romantrilogie aber auch einen nachhaltigen Eindruck von der den Süden der USA damals dominierenden Misogynie und Homophobie. Frauen dienten dem Mann als Schmuck und Wurmfortsatz, zur Unterstützung seines in seinem männlichen Ego begründeten Anspruchs auf Dominanz. Elizabeth, die weibliche Protagonistin des Romans, erregt Aufsehen als Verkörperung eines weiblichen Schönheitsideal und mit ihrem anstößigen Anspruch auf Verwirklichung ihrer nicht nur romantischen, sondern auch sexuell motivierten Liebessehnsucht. Und Schwule, keine Rolle spielend, waren gut beraten, sich ihren Status der Unsichtbarkeit zu bewahren. Weil anders ihre Sicherheit nicht zu gewährleisten war.

Was alles nicht zu trennen ist, von der persönlichen Diskrepanz des Autors und Menschen Julien Green. Der, 1900 geboren, immer so alt war wie sein Jahrhundert. Verschieden 1998. Drei Jahre nach Veröffentlichung des letzten Bands seiner Trilogie. Ein Grenzgänger zwischen alter und neuer Welt, Katholizismus und Protestantismus. Auf der Grundlage der eigenen homosexuellen Orientierung. Die sich sowohl in seinen Tagebüchern als auch, explizit in seinem 1980 veröffentlichten Roman „Der andere Schlaf“ niederschlug. Und sich ansonsten wie ein roter Faden durch sein gesamtes umfangreiches Werk zieht. Als Zeugnis und Ergebnis des engen Umgangs und Kontakts mit den eigenen erotisch motivierten Bedürfnissen und dem mit seinem jahrelangen Lebensgefährten und Erben. Staunenswert ist aber nicht nur seine umfangreiche Produktion sondern auch die bis ins hohe Alter bewahrte Schaffenskraft.

Noch herrscht in Europa gegenwärtig Eiszeit. In Gestalt von nicht nur gefühlten Minusgraden. Dank der sich jede Pfütze als Glättefalle entpuppt. Gut beraten, uns zum Schutz davor Spikes unter die Schuhsohlen zu schnallen. Um auch damit zur Wahrung des unsere Contenance gewährleistenden Gleichgewichts beizutragen. Was mir persönlich immer schwerer fällt. Vor dem Hintergrund beispielloser Hetze von Rechts, wie im Fall des Aufrufs der Pegida-Sprecherin Tanja Fensterling zur Jagd auf unsere  Eliten und die sogenannte Lügenpresse, um erforderlichenfalls nicht davor zurückzuschrecken, sie mit der Mistgabel aus ihren jeweiligen Ämtern zu jagen. Pack ist als Bezeichnung dafür gelinde gesagt. Mob würde es eher treffen. Mit Flüchtlingsunterkünften als Angriffszielen. Um Angst damit zu schüren und Furcht und Schrecken zu verbreiten. Die unsere tief gespaltene Gesellschaft ins Mark trifft.

Wenn Merkel, als Parteichefin und Kanzlerin angreifbar ist, dann nicht für ihre Flüchtlingspolitik, aber für die Verhinderung einer geordneten Einwanderungspolitik. „Kinder statt Inder“ war in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts beliebter Wahlslogan der CDU. Der mit dazu beigetragen hat, ein von der Regierung Schröder ins Auge gefasstes Einwanderungsgesetz zu verhindern. Und Rita Süßmuth (CDU), die damals in die entsprechende Kommission berufen war, aus ihr zurückzupfeifen.

Trotz allem sind gegenwärtig auch Lichtblicke zu verzeichnen. Nicht nur bezogen auf Merkels Kanzlerschaft, die eine erstaunliche, bewundernswerte Standhaftigkeit beweist, mit der sie dem bayerischen Löwen ihrerseits die Zähne und Krallen zeigt und Paroli bietet. Erfolge zeigen sich aber auch im Kleinen.

Beispielsweise in der Ankündigung der Schwulenberatung Berlin eine vom Senat unterstützte Unterkunft für ca. 120 queere Flüchtlinge zu schaffen. Die bereits im März eröffnet werden soll. Refugees Welcome  findet als Schild am Eingang ihres Hauptsitzes jetzt seine Entsprechung in der Wirklichkeit. In der Absicht, Betroffene nicht mehr zu lange darauf warten zu lassen. Was auch gut so ist.

Wenn es im Rechts zu verortenden Sumpf von Teilen der queeren Community zur Zeit laut grummelt, sollte uns dies nicht bekümmern. David Bergers  Blog Gaystream  lässt grüßen. Mit dem auf seinen Seiten laut gewordenen Vorwurf, damit ein Getto zu schaffen und den Staat von einer seiner originären Aufgaben zu entlasten. Auch das ebenfalls der Schwulenberatung Berlin zu verdankende queere Mehrgeneralionenwohnprojekt  Lebensort Vielfalt war bei seiner Eröffnung 2012 dem Vorwurf eines Gettos ausgesetzt. Der ist weitgehend inzwischen verstummt.

 

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