„Der Literaturmarkt ist voll von kleinen unabhängigen … Verlagen, so dass ein Manuskript, wenn es …Qualität aufweist, die Chance auf … Veröffentlichung hat“ und zwar „samt Lektorat, Beratung, Pressearbeit“, (Siegessäule Nr. 9/2015 S. 37).
Lieber Roberto Manteufel, was du für den Markt der Selbstpublisher konstatierst, dass so viele Menschen Romane schreiben und sie veröffentlichen, weil sie es (mithilfe des Internet und dessen digitalen Möglichkeiten) können, ist ebenso richtig, wie es falsch ist, dass jedes Manuskript, wenn es über Qualität verfügt, seinen Weg auch als Buch machen wird.
Die Krux besteht darin, dass es zu viele Manuskripte und zu wenig Verlage gibt, die sich dafür interessieren. Auch ist der Begriff Qualität ein schwankender. Was mit dem Geschmack des jeweiligen Ansprechpartners, Lektors oder Verlags und dessen Ausrichtung zu tun hat.
Was dem einen gefällt, stößt bei dem anderen auf Ablehnung. Manchmal nimmt ein Lektor ein Manuskript aufgrund persönlicher Vorurteile nicht zur Kenntnis. Ein Publikumsverlag, heterosexueller Orientierung und Zuschnitts, will kein Manuskript anfassen, von dem es sich nicht einen Absatz verspricht. Im Fall von Trans-, Lesben- oder Homo-Manuskripten geht er in der Regel davon aus, nicht genügend Leser zu finden, damit sein Einsatz sich auszahlt.
Und der Homo-Verlag erteilt dem Manuskript eines Homo-Autors (ungelesen) eine Absage, weil der Autor zu alt ist, um seine überwiegend junge, dynamische Kundschaft zu zu interessieren. Die Qualität des Manuskripts, weil ungeprüft, spielt keine Rolle.
Thomas Pregel, Autor des Romans „Der ertrunkene See“ darf man dafür beglückwünschen, im Verlag Größenwahn einen solchen gefunden zu haben, der seine Texte auch dann druckt, wenn sie vielleicht sperrig sind. Was die einsame Ausnahme und nicht Regel ist. Weil es zu wenige Verlage dieses Zuschnitts gibt, die auch mal ein Risiko eingehen, wie beispielsweise Jim Bakers und Ilona Bubecks Querverlag („Arm und Sexy“).
Es ist also ganz natürlich, wenn Autoren die Sache selbst in die Hand nehmen. Gegenüber deren Publikationen das Vorurteil besteht, per se nichts zu taugen, weil sie keinen Verlag gefunden haben.
Vieles davon ist zugegebenermaßen schwer verdauliche Kost. Das betrifft aber auch 99% des Schrott, den etablierte Verlage Jahr für Jahr absondern und auf den Markt werfen, in Gestalt von Veröffentlichungen uneinheitlicher, schwankender Qualität. Weil der Autor oder die Autorin vielleicht einen bekannten Namen und sich in anderen Bereichen Sporen verdient hat.
Wenn allein das Kriterium Qualität für eine Veröffentlichung maßgeblich wäre, dürfte mancher Roman gar nicht erscheinen. Beispielsweise Frank Heiberts Publikation „Kombizangen“ den sein Verlag Hoffmann und Campe 2006 ins Programm genommen hat. Weil der Autor einen Namen als hervorragender Übersetzer wunderbarer Werke hat, wie denen von Jim Grimsley. Während ihn ein eigener Roman überfordert hat.
Nur ein Beispiel unter vielen. Was zuweilen auch Autoren von Weltrang betrifft. Wie im Fall des jüngst verstorbenen Günter Grass. Dem seit seiner Blechtrommel nie wieder ein auch nur annähernd vergleichbarer Wurf gelungen ist. Trotzdem nehmen seine Jahr für Jahr in hohen Auflagen verbreiteten Bücher etliche Regalmeter ein.
Während sich eine Autorin wie Elfriede Jellinek seit Verleihung des Nobelpreises für Literatur damit begnügt, ihre Manuskripte ins Netz zu stellen. Ich vermute, aus Überdruss an Literaturbetrieb und dessen überwiegend kommerziellen Orientierung. Und weil sie finanziell nicht darauf angewiesen ist.
Es gibt hundertfache Gründe, dass ein Manuskript nicht auf Aufmerksamkeit stößt und den Verleger nicht darin bestimmt, damit auf Resonanz zu stoßen. Das Kriterium seiner Qualität – bezogen auf die überwiegende Zahl deutscher Verlage – steht in dieser Skala an unterster Stelle. Was zählt: Ob Geld damit zu verdienen ist?
Jungen Autor/innen ist also ein langer Atem zu empfehlen. Weil man ihnen viel Ignoranz und Desinteresse entgegenbringt. Wem ist zu verdenken, den Weg der von Roberto Manteufel beschworenen „Demokratisierung der Kultur“ einzuschlagen. Unter Inkaufnahme, dem Markt der im Internet zugänglichen Titel einen weiteren hinzuzufügen. Unabhängig davon, ob seine Lektüre sich lohnt oder verzichtbar ist. Was genauso auf viele Titel in den Regalen unserer Buchhandlungen und auf den Ankündigungslisten unserer Verlage zutrifft.
Leider gibt es zu wenige, die sich, wie Roberto Manteufel, darauf verstehen, uns als Wegweiser zu dienen, also eine Schneise zu schlagen durch das Dickicht aller zahlreichen Veröffentlichungen. Auch Buchhändler, wie die von Eisenherz in Berlin, erfüllen eine nicht unerhebliche und nicht hoch genug zu veranschlagende Aufgabe.
Ihnen unseren Dank. Wahr ist aber auch, dass für 2/3 unserer Bevölkerung das Buch als solches immer noch eins mit Sieben Siegeln ist. Früher war oft von Schwellenangst die Rede, die potenzielle Buchinteressenten davon abhielt, einen Buchladen zu betreten. Diese dürfte sich im Zeitalter des Internets, wo alles im Netz per Mausklick verfügbar ist, erübrigen.
Ich hoffe sehr, dass einem Selbstpublisher der Erfolg, den er sich verspricht, nicht versagt bleibt. Garantiert ist er nicht. Doch treibt sein Misserfolg keinen Verleger in den Ruin. Bestenfalls gelingt es einem Verfasser – männlich, weiblich oder trans – die erhoffte Selbstbestätigung damit zu verbinden. Als Voraussetzung dafür, auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren. Und doch eines Tages den großen Wurf zu schaffen. Wie er nur in den seltensten Fällen zu erwarten ist. Doch sollte niemand die Hoffnung darauf begraben. Weil nicht auszuschließen ist, zu jenem einen Prozent zu gehören, deren Literatur sich zur Lektüre empfiehlt.