Nach der spektakulären Buchvorstellung des Romans Das Ende von Eddy des jungen französischen Autors Èdouard Louis am vergangenen Donnerstag in Berlin, sollte sich die Präsentation der Neuauflage von Klaus Dieter Spangenbergs Publikation Die schöne Helena. Fritz, ein schwules Soldatenschicksal am darauffolgenden Freitagabend eher bescheiden ausnehmen.
Dort viel Aufmerksamkeit und viele Teilnehmer und Unterstützung durch einen bedeutenden deutschen Verlag, die Presse und Politik, hier das Engagement eines Einzelnen, der sich als Nachfahre versteht und die Aufgabe übernommen hat, einen Bogen zu schlagen, zwischen uns Heutigen und der Vergangenheit – am Beispiel eines Angehörigen seiner Familie: Friedrich Wilhelm Spangenberg. Einem Opfer des § 175 und der Nazi-Militär-Justiz der Wehrmacht in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Dessen Schicksal mit der Anklage des „Versuchs der Verführung eines Minderjährigen“ besiegelt war. Jenes Bestandteils des 175 des StGB, welcher der Justiz des 3. Reichs ab 1935 als verschärfte Handhabe diente – gegen jeden der das Pech hatte, in ihr Visier zu geraten. Und dessen Wirkung sich, ungeachtet der Kapitulation des 3. Reichs am 8. Mai 1945 bis weit in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erstreckte, deren Justiz in ihrer Gründerzeit immer noch in hohem Maß vom faschistischen Einfluss bestimmt war.
Der Skandal um Fritz, nach neumonatiger Festungshaft in Torgau an der Elbe ab Februar 1944 in Weißrussland verschollen, steht nicht für sich, sondern beispielhaft für viele, wie er davon Betroffenen, die bis heute darauf warten, nicht nur ihre Rehabilitation, sondern auch den Akt der Wiedergutmachung zu erfahren.
Klaus Dieter Spangenbergs Verdienst besteht in seinem Beitrag zur Erinnerung nicht nur an seinen Vorfahren, sondern auch an alle jene, die dem Vergessen anheim gefallen sind und heute über kein Gesicht und keine Stimme mehr verfügen, um auf sich aufmerksam zu machen und sich Gehör zu verschaffen. Darum war die kleine, bescheidene ab tief berührende Veranstaltung im Café Ulrichs in Mitte, einer Einrichtung der Berliner Aidshilfe, als Ort der Erinnerung daran, dass uns von den Angehörigen früherer Generationen nur der schmale Grad und das dünne Eis der Zivilisation trennt, als jenem dünnen Boden, unter dem es immer noch brodelt. Ein Abgrund, der darauf wartet, sich wieder bemerkbar zu machen. Immer noch zuweilen aufscheinend, anhand gegenwärtiger Beispiele von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Homophobie.
Dem auch der junge 22jährige Autor des Romans Das Ende von Eddy Èdouard Louis in seinen frühen Jahren zum Opfer fiel. Gemobbt, bespuckt, getreten und als Schwuli beschimpft und angegriffen. Schutzlos ausgeliefert einem Mob, dem er als Opfer diente. Erstaunlich an seinem Beispiel ist, es geschafft zu haben, sich trotz widriger Umstände und prekären familiären Umfelds davon emanzipiert und die Rolle des schwulen Opfers abgeschüttelt zu haben. Um sich in Paris noch mal neu zu erfinden. Sein Romanbericht legt davon auf eindringliche Weise Zeugnis ab.
Womit sich für mich ein Kreis schließt, der deutlich macht, es auch in Eddy mit einem Nachfahren von Fritz zu tun zu haben; einer von vielen, die trotz Siegs über den Faschismus hier und in Frankreich und überall in der Welt, darauf angewiesen bleiben, Wachsamkeit zu beweisen. Und Widerstand zu leisten – gegen Tendenzen, wie wir sie in Deutschland in der PEGIDA-Bewegung verkörpert erfahren und in Frankreich in der Partei des FRONT NATIONAL.